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Alois IL, der eine Aussöhnung Österreichs und Preußens wünschte,
war mit der österreichischen Politik freilich nicht immer einverstan
den. So vertrat er im Krimkrieg den preußischen Standpunkt der
Nichteinmischung des Bundes, um sein Land herauszuhalten. Seine
österreichischen Rücksichten gingen aber immerhin so weit, daß er
Linde anwies, das Votum der 16. Stimme nicht als liechtensteinisches
erscheinen zu lassen.
Fürst Johann II., der 1858 auf Alois folgte, führte seines Vaters und
noch mehr Lindes Außenpolitik fort. Treue zu Österreich — als Pri
vatmann und österreichischer Adeliger wollte er 1859 sogar in den
Reihen der österreichischen Armee gegen Italien kämpfen — und
Treue zum Bund kennzeichnen seine Außenpolitik. Er stimmte der
von Österreich am Frankfurter Fürstentag von 1863 vorgelegten,
nicht verwirklichten deutschen Reformakte zu, nach der Liechten
stein einen Teil seiner Selbständigkeit der Integration hätte opfern
müssen.
5. Zeitweise Divergenz in der Außenpolitik des Fürsten
und des Landtags
Sobald eine Volksvertretung bestand, suchte sie auch auf die Außen
politik des Fürsten einzuwirken. Schön 1849 hatte der provisorische
konstitutionelle Landrat in seiner ersten Sitzung das Regierungsamt
aufgefordert, in Frankfurt die unverzügliche Entlassung des unge
hörig eingesetzten liechtensteinischen Kontingents zu verlangen und
den Fürsten zu gleichem Einschreiten zu veranlassen.
1864 brach die schleswig-holsteinische Frage erneut auf. Die liech
tensteinische öffentliche Meinung und der seit 1862 bestehende Land
tag waren deutschnational und großdeutsch bestimmt und forderten
wie die deutsche öffentliche Meinung, ungestüm die endgültige Ein
deutschung Schleswig-Holsteins und daher den Krieg gegen Däne
mark. Der Fürst und Linde stellten sich mit ihrer Bundespolitik in
Gegensatz zu Landtag und Volk, indem sie den mäßigenden öster
reichischen Standpunkt vertraten. Der Abgeordnete Kirchthaler for
derte daher im Landtag vom Fürsten Rechenschaft über die Haltung
seines Gesandten beim Bund. Johann II. und Linde ließen sich frei
lich nicht beirren. Doch weist der Versuch des Landtags, Einfluß in
einer Sphäre zu gewinnen, die nach dem konstitutionellen System
noch Domäne des Fürsten war, auf eine Tendenz zum parlamentari
schen System hin.