73
Das Zustandekommen des Vertrages ist freilich vornehmlich den Ab
sichten der österreichischen Politik zu verdanken. Man hoffte damit
eine große und eine kleine Fliege zu erlegen: Einmal sollte das kleine
Land als «Zentralpunkt und Stapelplatz für den Schmuggel» und
zugleich Revolutionsherd am Rand Österreichs (so der österrei
chische Außenminister Buol-Schauenstein zum Kaiser) unschädlich
gemacht und «nach und nach eine Assimilierung der Bewohner des
Fürstenthums in Absicht auf Ideen, Grundsätze und Gesinnung mit
den Bewohnern der österreichischen Nachbarprovinzen herbeige-
führt» werden. Zum zweiten aber sollte der Zollvertrag mit Liech
tenstein im Deutschen Bund als Trumpf und Beweis für Österreichs
Zollbündnisfahigkeit gelten; diese wurde ihm von seinen Gegnern,
Preußen und den Mittelstaaten, abgesprochen. Gerade im Sommer
1852 stand Österreich in den entscheidenden Verhandlungen. Um den
Klein- und Mittelstaaten die Angst vor politisch verhängnisvollen
Zollbündnissen zu nehmen, verbriefte Österreich im Vertrag mit
Liechtenstein dessen Souveränität so ausdrücklich und achtete sie
ebenso. Die fürstliche Außenpolitik schlug so Kapital aus der öster
reichischen Deutschlandpolitik!
Ein Wandel in der Führung der liechtensteinischen Außenpolitik
wurde durch die konstitutionelle Verfassung von 1862 erfordert, indem
der Fürst beim Abschluß wichtiger Staats Verträge an die Zustimmung
der Volksvertretung gebunden wurde. Die Erneuerung des Zoll- und
Steuervertrages im Jahre 1863 macht dies deutlich: Die Außenpolitik
wurde nun vor dem Parlament und damit dem Volk verantwortet.
Die von Österreich vorgeschlagenen Bedingungen wurden im Land
tag beraten. Der Fürst folgte weitgehend den Forderungen des Land
tags. Die öffentliche Meinung in Liechtenstein hatte heftig die Nicht-
emeuerung des Vertrags und die Umorientierung nach der Schweiz
hin verlangt, freilich ohne Rücksicht auf die politischen Erforder
nisse. Der Landtag war realistisch genug, der Vertragsemeuerung mit
Österreich zuzustimmen.
4. Anpassung und Selbstbehauptung
Zu vorsichtigem Lavieren zwischen Anpassung und Selbstbehauptung
sah sich der Fürst in der Bundespolitik gezwungen. Die Souveränität
und der territoriale Bestand auch des kleinsten deutschen Staates war
zwar in der deutschen Bundesakte und in der Wiener Schlußakte von
1815 europäisch garantiert. Doch hatte die Revolutionszeit die Un-