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politische Union gehandhabt werden kann, daß aber eine politische
Union nicht ohne gemeinsame Handhabung dieser verschiedenen Teil-
politiken zustande kommen kann. Daß also der ganze Prozeß im
Reißverschluß-System Schritt um Schritt vor sich gehen muß. Wie
weit in der EWG diese Entwicklung fortgeschritten ist, zeigt uns der
gegenwärtige Stand: der einzige durchschlagende (Teil-)Erfolg ist der
totale Abbau der Zölle; in Sachen Agrarpolitik sei auf den chroni
schen Butterberg, den Schweinezyklus und auf die Brüsseler Bauern
demonstration hingewiesen. (Diese richtete sich gegen den Mansholt-
Plan, die nach meiner Meinung einzig richtige Maßnahme einer ge
meinsamen europäischen Agrarpolitik.)
Die gemeinsame Währungspolitik äußert sich in der den EWG-Part-
nem vorher nicht offiziell bekanntgegebenen Abwertung des franzö
sischen Franc, obwohl diese, laut Römer Vertrag, bei einem solchen
Schritt vorher zu konsultieren wären. Das ganze wiederholte sich im
kürzlichen Kampf um die Freigabe des deutschen Wechselkurses.
Die gemeinsame Wirtschafts- und Konjunkturpolitik kommt darin
zum Ausdruck, daß in Deutschland eine Inflationsrate von zwei Pro
zent und darüber als alarmierend gilt, während in Frankreich und
Italien eine solche von fünf Prozent praktisch als normal zu bezeich
nen ist.
Diese Argumentation kann jedoch im spezifischen Falle Liechten
steins nicht angewandt werden. Denn Liechtenstein kann aufgrund
seiner schon mehrfach erwähnten Kleinheit nicht das Risiko ein-
gehen, auf die jeweilige Praxis der Auslegung bzw. Anwendung des
Römer Vertrages abzustellen, wie z. B. England sich das leisten kann.
Für Liechtenstein zählt nicht der jeweilige erreichte Stand der Inte
gration, sondern der Wortlaut des Römer Vertrages mit allen seinen
möglichen Konsequenzen. Das, meine Damen und Herren, muß ein
mal mit aller Deutlichkeit hervorgehoben werden.
Höchstindustrialisiertes Land der Welt pro Kopf der Bevölkerung;
eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt;
höchstkonzentriertes Land pro Erwerbstätiger, das alles sind Relativ
zahlen, die für uns Liechtensteiner zwar schmeichelhaft sind, die
jedoch über den absoluten Stand der jeweiligen Größe, der allein
jedoch für uns maßgebend ist, nicht viel aussagen.
Als weiteres Beispiel für die Aussagekraft von Relativzahlen sei fol
gendes angeführt. Die Firmen Hilti AG, Balzers AG, Hoval AG usw.
sind für liechtensteinische Verhältnisse Großbetriebe, für schweize
rische bestenfalls Mittelbetriebe und für europäische Verhältnisse,
ebenso wie für amerikanische, Kleinbetriebe dritter Ordnung.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine andere, im ersten Moment