55
trag zu einer Koordinierung ihrer Wirtschafts-, Konjunktur- und
Sozialpolitik und zu einer Angleichung der nationalen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften verpflichten. Zu diesem Fragenkomplex ist
zu sagen, daß Liechtenstein, solange das Währungsabkommen und
der Zollvertrag mit der Schweiz in Kraft sind, und aufgrund seiner
relativ geringen Wirtschaftskraft, keine eigene Wirtschafts- und Kon
junkturpolitik betreiben kann. — Der Anachronismus des Finanz
ausgleichs zu diesem Zeitpunkt in dieser Höhe kann in diesem Zu
sammenhang wohl nicht als Wirtschafts- und Konjunkturpolitik im
positiven Sinne bezeichnet werden. Wenn es einen Versuch zu einer
diesbezüglich eigenständigen Politik hätte darstellen sollen, so muß
man ihn als kläglich taxieren. — Dieser Fragenkomplex beantwortet
sich im Prinzip wieder mit der Konsistenz des Zollvertrages mit der
Schweiz. Wenn dieser dahinfallt, so wird Liechtenstein sich nach den
Normen der EWG richten müssen, und dann ist in gewissem Sinne
der Zustand erreicht, den Dr. Batliner in seinem Referat so treffend
umschrieben hat. Das darin Gesagte über die Bedeutung der Person
kann in Analogie auf den Kleinstaat Liechtenstein angewandt wer
den; ich zitiere: «Die Stellung des Einzelnen ist eine grundlegend
andere, je nachdem, ob das Verhältnis eins zu ein paar Tausend oder
eins zu hundert Millionen lautet.» Liechtensteins Bedeutung wird bei
einem Arrangement mit der EWG zwar nicht absolut, so doch rela
tiv stark absinken.
Auch auf dem Gebiet der Sozialpolitik müßte Liechtenstein mit er
heblichen Mehrbelastungen rechnen, denn auch in diesem Fall heißt
Harmonisierung Angleichung nach oben. Man bedenke hier, daß die
Sozialabgaben der Privaten, der Unternehmer und des Staates im
EWG-Raum wesentlich höher sind als im Räume Liechtenstein-
Schweiz. Zum gleichen Zeitpunkt ist jedoch das Lohnniveau bei uns
um einiges höher als im EWG-Raum. Unter Berücksichtigung der
längst erwiesenen Starrheit der Löhne nach unten, ergibt dieser Tat
bestand Wettbewerbs Verzerrungen, mit denen die liechtensteinische
Wirtschaft schwer zu kämpfen haben wird. In seinem schon erwähn
ten Vortrag kommt Strauß zum Schluß, daß Angleichung der
Steuern, gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik, gemeinsame
Konjunktur- und Sozialpolitik bei der heutigen politischen Struktur
der EWG kaum durchzuführen sei, deshalb müsse die EWG eine ge
meinsame Exekutive und Legislative schaffen, also zur politischen
Union ausgestaltet werden. Dabei ist aber, ich möchte beinahe sagen,
das für uns tröstliche Dilemma zu beachten, mit dem die EWG mo
mentan so schwer zu kämpfen hat. Nämlich das Dilemma, daß eine
gemeinsame Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik nicht ohne