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Staatlichkeit. Diese Einschränkung der Eigenstaatlichkeit als solche
trifft den Kleinstaat aufgrund seiner absoluten Kleinheit und seiner
relativen wirtschaftlichen und politischen Bedeutungslosigkeit unge
mein stärker als den Großstaat, der trotz Abgabe von Souveränitäts
rechten als ein noch politisch bedeutsamer Faktor zu betrachten ist.
Die Mitgliedstaaten der EWG müssen ihre Zuständigkeit in Außen
handels-, Agrar- und Verkehrspolitik an die Gemeinschaft über
tragen.
Bezogen auf Liechtenstein wirft die Übertragung der Zuständigkeit
in der Außenhandelspolitik zuerst die Frage nach dem Weiterbestand
des Zollvertrages mit der Schweiz auf. Bekanntlich hat Liechtenstein
am 29. März 1923 in einem gegenseitig kündbaren Vertrag seine Zu
ständigkeit in Außenhandelsfragen an die Schweiz übertragen. Bei
einem eventuellen EWG-Beitritt Liechtensteins müßten diese Befug
nisse aufgrund des unkündbaren EWG-Vertrages jedoch an die Hohe
Behörde übertragen werden, was eine Kündigung des bisher für
Liechtenstein lebenswichtigen Zollvertrages mit der Schweiz zur
Folge haben müßte. Wirtschaftlich gesehen würde das sicherlich einen
vorübergehenden starken Einbruch bedeuten, gingen doch 1967 56,1
Prozent der Exporte in die EFTA (davon der Löwenanteil in die
Schweiz) und nur 28 Prozent in die EWG sowie 15,9 Prozent in an
dere Länder. Das Problem wird noch dadurch kompliziert und
aktualisiert, daß sich die Schweiz wahrscheinlich schneller mit der
EWG arrangieren wird als Liechtenstein, daß also nicht wir den
Zollvertrag kündigen, sondern daß uns der Zollvertrag gekündigt
wird. Dann, wie der Volksmund so schön sagt, stehen wir da wie be
stellt und nicht abgeholt; dann haben wir nicht die geringste Mög
lichkeit mehr, den Römer Vertrag in unserem Sinne positiv zu be
einflussen. Wie schnell diese Entwicklung stattfinden wird, hängt
vom EWG-Beitritt des wichtigsten EFTA-Landes Großbritannien ab.
Auf jeden Fall wird der Übertritt von einem Zollgebiet in das andere
der liechtensteinischen Industrie einen empfindlichen Verlust des
Marktanteils in der EFTA beibringen, ihr aber allerdings einen grö
ßeren Markt eröffnen, der jedoch erst zu erobern jväre. Diesbezüglich
ist jedoch noch zu sagen, daß der Übergang nur stufenweise inner
halb einer gewissen Zeit zu vollziehen wäre, und daß mancher liech
tensteinische Industriebetrieb diesen Übergang durch den Bau von
Produktions Stätten im EWG-Raum faktisch schon vollzogen hat, so
daß der Verlust wirtschaftlich zu verkraften wäre, wenn auch unter
Opfern.
Die Frage ist jedoch, ob er politisch zu verkraften wäre. Bisher wurde