Volltext: Fragen an Liechtenstein

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gemeinsame Sinnbilder, um sich mitteilen zu können. Dazu einige 
Beispiele: Das Schloß Vaduz wuchs zu einem Staatssymbol heran. 
Auf dem Schloßfelsen stehend ruft es gleichsam den Staat zu sich. 
Als Sitz des Staatsoberhauptes versammelt es Vergangenheit und Ge 
genwart. Wer das Schloß abbräche, bräche Liechtenstein ab. — Die 
Identifikation des Menschen mit Symbolen (Status- und Machtsym 
bolen) ist uralt und in allen Stufen politischer Organismen zu finden. 
Wer in einem Dorf, das als Gemeinschaft intakt ist, eine Kirche 
umgestalten will, erfahrt den aufziehenden Widerstand verletzter 
Menschen, die ihr Identitätssymbol gefährdet sehen. In solchen 
Augenblicken kommen urmenschliche Bewußtseinsschichten in Be 
wegung. — Weltmächte wie Rußland und Amerika setzen gezielte 
kulturpolitische Aktionen in die Welt. Amerika hat beinahe den 
ganzen modernen Kunstbetrieb in Griff bekommen; in der Musik: 
John Cage, in der Malerei: Lichtenstein, Warhol, Rauschenberg, 
Indiana, Johns, und in der Plastik: Oldenburg, Kienholz. Das gleiche 
Amerika vermag ein Spitzenwerk der Kunstgeschichte in Liechten 
stein zu erwerben und postiert dieses in solitärer Manier in verdun 
keltem Saal in seiner Hauptstadt. Der Liechtensteiner aber kann 
kaum glauben, das so etwas einmal in Vaduz gestanden ist. Auch 
in der Bundesrepublik Deutschland entwickeln einzelne Städte wie 
Köln, Kassel, Düsseldorf und München eine starke kulturelle Aktivi 
tät. Sie hat nicht zuletzt den Zweck, Deutschland wieder Glaub 
würdigkeit zu geben. — Als vorletztes Jahr Bayern ein bedeuten 
des Werk in Vaduz erwarb, wurde mit legalen Mitteln und mit 
Billigung des Fürsten eine Aktion zur Rettung des Bildes für Liech 
tenstein unternommen, die in wenigen Stunden die Hälfte des Kauf 
preises zusammenbrachte. Das Gespräch über die Angelegenheit ver 
lief (in einem Blatt mit amtlichen Kundmachungen) jedoch auf einer 
derartigen Schwundstufe des Argumentes, daß ich darauf nicht 
weiter eingehe. 
Liechtenstein ist gut beraten, wenn es mit allen Mitteln an den Auf 
bau eines kulturellen Kraftfeldes geht. Die Landesgeschichte mit den 
Staatsverträgen und ein ungewöhnliches kulturelles Potential können 
Liechtenstein die Chance geben, neue Mediatisierungswellen im Zuge 
des europäischen Zusammenschlusses zu überleben und dem Fürsten 
tum gemäße Bedingungen zur Integration zu erwirken helfen. Letzt 
lich lebt jede Gemeinschaft aus ihrem Selb st Verständnis auf Selbst 
bestimmung hin. Selbstbestimmung wird für alle sichtbar in der 
Selbstdarstellung. Sie ist ein Identitätsausweis vor allen Völkern. Die 
Kultur ist hiefür das geeignetste Mittel. Was die UNESCO über 
diese Fragen an Grundsätzen erarbeitet hat, mag noch für viele wie
	        

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