Volltext: Fragen an Liechtenstein

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logische Komponenten und Gefährdung von innen durch Mangel an 
Staatsbewußtsein und Mangel an eigenem Profil. Der Zweifel an 
der eigenen Glaubwürdigkeit macht unglaubwürdig. Wir sind reich 
an Gefährdungen. Unser Staatsterritorium ist ohne Binnenland; wir 
sind nur Grenzland, verletzbar, sozusagen nur Haut. Um die 
Schwäche zu ertragen, wird sie ideologisiert und zum Zufluchtsort 
für Tatenlosigkeit in der Beziehung zu Drittstaaten. Die Staatlich 
keit erscheint als ein zu anspruchsvolles Instrument für 22 000 Ein 
wohner. Die Bewußtseinsschrumpfung unserer Staatlichkeit er 
reichte in den letzten Jahren in weiten Kreisen ein bedenkliches 
Ausmaß: Die Flucht in die Dorf Staatlichkeit unter dem Titel Ge 
meindeautonomie erlaubte vielen, jenen Staat zu negieren, den Liech 
tenstein zum Teil seit 150 Jahren nicht wollte und den man vor 
30 Jahren für 1000 Jahre heimschicken wollte. 
Um also Bestand in der «Eigentümlichkeit» (wie Kaiser sagte) zu er 
langen, ist es notwendig, die Eigentümlichkeit vorerst zu sichern. Da 
mit stehen wir genau vor den drei erwähnten Postulaten der 
UNESCO: Kultur als Voraussetzung jedes wirtschaftlichen und so 
zialen Fortschrittes im Staat, Kultur als Aufgabe des modernen 
Staates und Kultur als Menschenrecht. 
b) Liechtensteinische Kulturpolitik 
Um dem Staat Liechtenstein nach innen und nach außen Glaubwür 
digkeit zu verleihen, ist Kulturpolitik eine wesentliche Voraussetzung. 
Ansätze für eine derartige Politik sind da. Es liegt ein neues Bil 
dungsgesetz vor, das Theaterleben erhält frische Impulse, die Musik 
schule und die Konzertgemeinde ergreifen Initiativen, die Bibliothek 
vermittelt Anschlüsse zu den unermeßlichen Reservoiren des Wis 
sens, Museen sind teilweise im Aufbau, die Ausstrahlungskraft der 
fürstlichen Sammlungen wird langsam erkannt, und in den Dörfern 
regt sich manche Initiative. 
Alle diese kulturellen Institutionen und Unternehmungen entspringen 
nicht so sehr dem Staatsbewußtsein als vielmehr den Bedürfnissen, 
etwas von der kulturellen Welt mitzubekommen und den Touristen 
in Vaduz etwas zu bieten. Man mag das alles mit dem Verweis auf 
Bescheidenheit und Echtheit begründen. Aber ist der liechtenstei 
nische Staatsgedanke, der bisweilen matt und stumpf kaum den Aus 
weis der Lebensfähigkeit bezeugt, unecht? 
Die Mechanismen von Finanz-, Wirtschafts- und Kulturpolitik grei 
fen ineinander. Veränderungen in einem Sektor bringen Folgen im
	        

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