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Liechtenstein: Kleinstaat im Wandel —
staats- und gesellschaftspolitische Aspekte
Herbert Wille
I.
Einleitung
1. Vorbemerkung
Auf den ersten Anblick scheint das Thema dieses Referates nichts
mit den vorangegangenen und . noch folgenden Ausführungen zur
liechtensteinischen Außenpolitik gemein zu haben. Es dürfte Ihnen
aber in der Ankündigung nicht entgangen sein, daß sich ein Vortrag
mit den innenpolitischen Voraussetzungen einer liechtensteinischen
Außenpolitik befaßt. Dies ist der Anlaß, ein paar staats- und gesell
schaftspolitische Aspekte in die Diskussion zu werfen, die darzutun
vermögen, daß das teilweise Unbehagen in und um unseren Klein
staat auf einem Strukturwandel in staats- und gesellschaftspolitischer
Hinsicht beruht.
2. Ausgangspunkt: Die monarchische Staatsordnung auf demo
kratisch-parlamentarischer Grundlage
Unsere Staatsordnung in Form der konstitutionellen Erbmonarchie
auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage ist durch eine
demokratische Volksbewegung entfacht, aus einer monarchischen Re
form hervorgegangen. Sie steht in ihrer äußeren politischen Erschei
nung in einer ungebrochenen geschichtlichen Kontinuität, der Kon
tinuität monarchischer Herrschaft. Dies wird in einem verfassungs
geschichtlichen Rückblick deutlich. In der Spätphase des Absolutis
mus, zur Zeit der Geltung der oktroyierten Verfassung von 1818,
übte der Monarch als souveräner Herrscher die Staatsgewalt kraft
eigenen Rechts aus. Die verfassungsmäßig zugestandene Volksvertre
tung («Stände») hatte keine Staatsgewalt inne, sonderen vertrat
lediglich die Untertanen gegenüber der im Monarchen verkörperten
Staatsgewalt.
Das verfassungspolitische Ziel der konstitutionellen Bewegung ging
darauf hinaus, die fürstliche Macht durch Aufteilung der Herr
schaftsbefugnisse auf Fürst und Landtag zu beschränken; die monar
chische Exekutive sollte vor allem durch Grundrechte und Gewalten