Volltext: Fragen an Liechtenstein

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die auch um ihre Freiheit und Unabhängigkeit ringen, ganz natürlich 
mitgegeben (oder sie ist wenigstens von ihm zu erwarten). Der Kleine 
hat im Gegensatz zum Großen ein fein entwickeltes Gefühl für ge 
genseitige Rücksicht. Damit kommt eine betont menschliche und eine 
besonders moderne Note in unser Außenverhältnis. Und in der Zeit 
weltumfassenden Zusammenrückens ist ganz allgemein kaum etwas 
aktueller als ein minimaler Ausgleich auf der Welt. Dies gehört 
immer mehr zum Bewußtseinsbestand der Völker und vor allem der 
heranwachs enden neuen Generation. «Wenn eine freie Gesellschaft 
den vielen, die arm sind, nicht helfen kann, kann sie auch die weni 
gen nicht retten, die reich sind» (Kennedy). Und es ist nicht zu ver 
kennen, daß unsere, natürlich sehr begrenzte, Aktivität auf diesem 
Gebiet weit unverdächtiger und insofern wirksamer ist, als wo neue 
Beherrschung gewittert wird. 
4. Der Kleinstaat als Lebenseinheit offener Kommunikation: 
Ein Kleinstaat ist nicht autark, weder wirtschaftlich noch geistig. 
Güterkonsum setzt weitgehend Import voraus. Absatz heißt prak 
tisch Export. Der Kleinstaat kann nur in einer ständig gepflegten 
wirtschaftlichen, geistigen und kulturellen Kommunikation mit der 
Außenwelt bestehen. Der frühere Landtagspräsident Dr. Frick er 
klärte in einer Debatte im Landtag: «Liechtenstein ist zu klein für 
Chauvinismus.» Nicht einmal das Weltreich Großbritannien konnte 
sich die «splendid isolation» lange leisten. Die Geschichte beweist es: 
langlebige Gesellschaften sind offen und interessiert, sich — mit Maß 
natürlich — mit Fremdem anzureichem, und tolerant genüg, es zu 
assimilieren. Dieser notwendige wirtschaftliche, kulturelle und zwi 
schenmenschliche Austausch ist vielleicht einer der modernsten Züge 
des Kleinstaates in unserer weltweit sich verflechtenden Gesellschaft. 
Die Kommunikation ist, im Gegensatz zum sich abkapselnden Chau 
vinismus, eine offensive Formel. Der ständige Austausch bedeutet 
aber eine ständige Anfechtung und Herausforderung des eigenen 
Staates und führt (sollte!) damit zu einem fortwährenden Ringen um 
die eigene Identität; er beinhaltet aber auch Offenheit gegenüber den 
Problemen der Welt. 
Dies die vier Strukturelemente des Kleinstaates. Ich bin mir aller 
dings des Abstandes zwischen Idee und Praxis voll bewußt. Das 
ändert nichts daran, daß die Idee der vier Strukturelemente sich aus 
unserem Kleinstaat zwingender ergibt als manche konkrete Verhal 
tensweise.
	        

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