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Vielleicht kommt es soweit, daß Regierung und Landtag um Ver
ständnis für die finanziellen Anforderungen einer zukünftigen Außen
politik werben müssen. In der breiten Öffentlichkeit muß in viel
größerem Maße, als es heute der Fall ist, der Gedanke, daß Liechten
stein ein Staat unter Staaten ist, verbreitet werden. Ohne das Be
wußtsein, daß sich das Land inmitten sich integrierender Staaten und
Staatengruppen befindet, ist keine Außenpolitik denkbar. Heute
jedenfalls ist diese Problematik noch vielen fremd. Der Horizont hört
bei den wohl schönen und vertraueneinflößenden, aber trotzdem das
Gesichtsfeld einengenden Schweizer Bergen auf.
Daß eine solche Aufklärungsarbeit keine Politisierung schon im An
fangsstadium erträgt, ist einleuchtend, und daß ich in diesem Zusam
menhang auf die liechtensteinische Presse zu reden komme, ist zu
mindest kein Zufall.
Die liechtensteinische Presse als Treffpunkt des Lesers
und Tribüne der freien Meinung
Das Thema würde zu längeren Gedankengängen reizen, kommt doch
der Presse eine überaus wichtige Aufgabe im Prozeß der öffentlichen
Meinungsbildung zu. Auch wenn jeder zweite vorgibt, keine Zeitung
zu lesen, und schon gar keine innenpolitischen Artikel. Die Erfah
rung zeigt, daß sie, wenn auch vielleicht im Stillen, doch gelesen
werden. Immerhin stellen die Zeitungen praktisch das einzige
Medium für unsere innenpolitische Meinungsbildung dar. Diese Stel
lung verleiht ihnen große Bedeutung, aber auch nicht minder große
Verantwortung. Im «Liechtensteiner Vaterland» vom 9. November
1971 enthielt ein Leserbrief folgende Meinung: «Wollen wir weiterhin
als souverän gelten und darin in der Weltöffentlichkeit auch sonst
ernst genommen werden, dann müssen wir völlig auf unfruchtbare
und beschämende Personenpolitik verzichten und uns einer ehrlichen,
pflichtbewußten und aufbauenden Sachpolitik zuwenden, um damit
einer Spaltung von innen heraus entgegen zu wirken.» Dieser Satz
enthält zumindest das berühmte Körnchen Wahrheit. Die Bericht
erstattung, die Diskussion und die Aufklärungsarbeit der Presse über
das noch weitgehend unbelastete Problem der Außenpolitik bietet die
Chance, daß sich unsere Zeitungen zu Treffpunkten des Lesers und
zu Tribünen der freien Meinung entwickeln. Die öffentlichen Diskus
sionen haben in letzter Zeit aus verschiedenen Gründen einen erfreu
lichen Aufschwung genommen. Das läßt hoffen.