Volltext: Ferdinand Nigg (1865-1949)

Schwerpunkte im Vergleich mit der grossen kubisti- 
schen Schule oder der absoluten Abstraktion eines 
Kandinsky. Hier entscheiden sich heute noch Schick- 
sale in der Kunst. Erwächst das bei Nigg aus Beschei- 
denheit, menschlicher Zuneigung oder aus einem 
nneren Bedürfnis seiner inneren Schau? Oder war das 
brutale Morden im Ersten Weltkrieg der Grund für das 
Nachlassen und Vertrauen in diese grossen Projektio- 
nen der reinen Abstraktion? Bei vielen Künstlern ist 
dieser Umstand nachzuvollziehen. Manchmal mag bei 
der Betrachtung eine gewisse Enttäuschung aufkom- 
men, wenn nur auf die Seite des damaligen grossen 
Aufbruchs und auf die Kraft der Abstraktion gesetzt 
wird oder wenn nur der gegenständlichen Expressivi- 
tät der Vorzug gegeben wird. Unsere beiden Nigg-Bio- 
graphen, Kanonikus Anton Frommelt und Evi Kliemand, 
haben jeweils auf ihre eigene Weise die Situation 
Niggs erkannt. 
Sie sind nicht eingeschriebene, aber geistige Mitglie- 
der der Stiftung. Mit Pfarrer und Maler Anton Frommelt 
und Evi Kliemand, Malerin und Schriftstellerin, stand 
ich immer in nahem Dialog. Sie sind es, auf deren Mit- 
arbeit die Stiftungen zählen konnten, die vornehmlich 
das Bild von Ferdinand Nigg erstellten, also Nigg ein 
Kleid gaben, indem sie eine geklärte Biographie schu- 
fen und klare Äusserungen zu Malerei, Grafik und zu 
den Textilien Niggs brachten. Sie waren auch ausser- 
halb der Bücher bereit, durch andere schriftliche Bei- 
träge und Vorträge mitzuhelfen, Brücken zum Publi- 
kum zu bauen. Dass Nigg nun hier in Leipzig und in 
Magdeburg ausgestellt ist, verdanken wir diesen lang- 
jährigen Vorarbeiten. Anton Frommelt war bis zur Publi- 
kation, welche die erste Nigg-Retrospektive in Balzers 
im Jahre 1965 begleitete, der erste Biograph Niggs. 
Dann, nach seinem langen Leiden und Tod — Anton 
Frommelt. starb 1975 — übernahm Evi Kliemand die 
Autorenschaft, zuerst 1977 mit der Abhandlung über 
die Magdeburger Werkperiode. Eigenartig ist, dass der 
gesamte Bestand dieser Werkperiode Niggs (fast 
möchte ich sagen: noch nicht geordnet) in der Kanoni- 
kus Frommelt Stiftung lag. Er selbst hat diese Werke 
wohl gesammelt, sich aber nie ausgiebiger schriftlich 
dazu geäussert. 1983 entschied sich die Ferdinand 
Nigg Stiftung, Evi Kliemand mit der grossen Biographie 
zu beauftragen. Durch diese Monographie wurde das 
Bild erweitert, einige Bereiche neu aufgerollt und auch 
von einer Jüngeren Generation besehen. 
Noch ein Problem hat uns einige Zeit beschäftigt und 
belastet. Nigg hat seine Wandbehänge nie präsentiert, 
somit auch nie dafür vorbereitet. Wir standen vor dem 
Problem der Aufmachung, der Präsentation und der 
Pflege dieser so empfindlichen Kostbarkeiten. Frau 
Marlene Erichson, Kassel, ehedem tätig an der Abegg- 
Stiftung in Riggisberg, Bern, hat uns mit grosser fachli- 
cher Kenntnis und Liebe diese Sorge abgenommen 
und, wie wir meinen, bestens gelöst. Das auch zu 
meiner persönlichen Entlastung. 
Um ehrlich zu sein, man anerkennt manche Blätter und 
Stickereien aus der ersten Kölner Zeit, die nach den 
avantgardistischen, künstlerisch reinen Blättern aus 
der Magdeburger Zeit entstanden, nur mit gutem Wil- 
jen als eigentliche Kunst. Bei näherer Betrachtung des 
Werdegangs von Nigg sind diese Arbeiten als Zwi- 
schenphase zu sehen, weil dann ja in Köln Höhepunkte 
wie der «Seltsame Ritt», «St. Georgs-Teppich» oder nur 
als Beispiel die zwei Blätter «Unter dem Kreuz» und 
das dann nach 1931 entstandene Spätwerk folgten. 
Noch einige praktische Fragen tauchen wiederholt auf, 
eine davon ist die der Datierung. Wir wissen, dass 
Nigg grundsätzlich immer signiert, aber nie datiert hat, 
ausgenommen einige Jugendarbeiten. Das ist nicht 
Zufall. Aber in welcher Verbindung das steht, können 
wir nur vermuten. Vielleicht unterliess Nigg das Datie- 
ren, um sich total ungebunden in seiner Entwicklung 
und seinem Vorgehen zu fühlen, oder um der Kunst 
etwas Stetiges, von Zeit Unabhängiges zu geben? 
Trotzdem ergaben sich durch manche Spuren, die Nigg 
in Zeitschriften und Briefen hinterliess, über Erinnerun- 
gen anderer und über intensive Betrachtung doch logi- 
sche Abläufe und Vergleichsmöglichkeiten innerhalb 
seines Lebenswerkes, und es konnten diese verschie- 
denen Zeitabschnitte geklärt werden. Einige Werke 
können genau datiert werden, wie z. B. die Gouachen 
aus der Magdeburger Zeit. Die meisten Werke Niggs 
aber können in Zeitabschnitte, Früharbeiten, Berliner, 
Magdeburger, Kölner Zeit oder Spätwerk in Vaduz ein- 
geordnet werden. Auch auf diese Frage gibt die Mono- 
graphie von Evi Kliemand detailliert Auskunft und 
Orientierung, soweit dies nach intensivem Nachfor- 
schen möglich ist.
	        

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