VORWORT ZUR AUSSTELLUNG
IM DOM ZU MAGDEBURG -
Ferdinand Niggs Wirken an der Magdeburger Kunstge-
werbeschule bedeutet künstlerische Aufbruchszeit —
das Wagnis der Moderne, der Aufbruch aus erstarrtem
Formalismus, Introduktion zu Kommendem.
Die Suche einer Beziehung von Kunst und Gewerbe,
von Gestaltung und Alltäglichem, erschliesst und be-
wahrt eine Gegenwart in seinem Werkprozess.
Die christlichen Motive — sie widerspiegeln sich in
Niggs Werk von Anfang an und zunehmend —- weisen
zurück. Es sind traditionelle Themen christlicher Kunst
und Frömmigkeit.
Vorausgestalten und Zurückgreifen bringen eine Span-
nung In die entsprechenden Werke, die sich nicht ein-
fach auflöst: der in Deutschland wirkende, in Europa
ausstellende Künstler und der kindlich-bodenständig
religiös gewachsene Liechtensteiner. Nigg war als
Künstler, nicht als Glaubender zur Moderne aufge-
brochen.
In seiner Magdeburger Zeit wird Ferdinand Nigg den
Dom gesehen haben. Der monumentale und doch
liturgisch arm gewordene, nun protestantische Kir-
chenraum hat den Katholiken nicht herausgefordert.
Erst die Kölner Kirchen haben nach seiner Magdebur-
ger Zeit seine Textilkkunst immer mehr zur Paramentik
gedrängt.
Es bedarf nicht der religiösen Werke in Niggs Schaffen,
um die Ausstellung im Magdeburger Dom zu begrün-
den. Für Ferdinand Nigg waren christliche Motive keine
auszuwählende künstlerische Thematik, sondern Aus-
druck seiner selbst.
Was mich für Ferdinand Nigg und den Gedanken an
eine Ausstellung im Dom einnahm, war das Bewusst-
sein seines künstlerischen Aufbruchs aus erstarrtem
Formalismus.
Wir wollten aufbrechen — wie viele in der DDR, in Mag-
deburg, im Dom. Wir haben die Zeit erlebt.
Der Magdeburger Dom ist ein steinernes Bilderbuch
des Glaubens, aber er war nie eine Bildergalerie. Wenn
wir dennoch in den Jahren immer wieder Ausstellun-
gen in Ihm gezeigt haben — christliche Zeugnisse in
einer atheistischen Umwelt, Engagements kirchlicher
Basisgruppen, junge verfemte Künstler — dann hatten
sie alle eins gemein: aufzubrechen aus einer erstarrten
Wirklichkeit.
Ferdinand Niggs Kunst gehört nach Magdeburg, weil
etwas aufbrechen muss und aufbrechen wird in die-
ser Stadt, die einmal eine Kunstgewerbeschule hatte.
Noch war erst der Dom dafür offen. Aber schon das ist
gut so.
Wir würden Niggs Kunst hier nicht kennenlernen ohne
die leidenschaftlich I!yrische und gestaltende Seele sei-
ner Biographin Evi Kliemand, ohne das fördernde, un-
eigennützige Engagement Robert Allgäuers in der Fer-
dinand Nigg Stiftung, ohne die liebevolle Mühe und
Begleitung des Malers Martin Frommelt. Mein Dank
an sie steht für ein Stück Magdeburger Geschichte und
Gegenwart.
Giselher Quast
Domprediger