Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Gerard Batliner Die persönliche Inbesitznahme des Thrones ist das rechtlich von sich aus wirkende Ereignis der Thronfolge und nicht das Ergebnis einer in politischer Ausmarchung erfolgten Wahl. Die der erblichen Abfolge innewohnenden Schwächen im Vergleich zur Legitimation durch Wahl sind indessen kompensiert durch die Stärke, dass das monarchische Staatsoberhaupt niemals Partei und Angehöriger einer Gruppe ist. Unabhängig von Mehrheiten, Schichten, Volksteilen, ist der Monarch besonders prädestiniert, allen im Volk und der Bevölkerung gleichermas- sen nahe, verbunden und gerecht zu sein. Auf diese Weise ist er Mitte, Ausgleich, Vermittler und Schlichter zwischen den Teilen und ein Faktor der Integration. Als lebenszeitlich berufenes Staatsoberhaupt überspannt er, stabilisierend, die Jahre und verkörpert das Währende im wechseln­ den, dynamischen, bisweilen streitigen demokratischen Prozess. Als Glied eines erblichen Hauses steht er zwischen den Generationen, über­ bringt er das Erbe der Tradition in die Gegenwart und gibt es an die Nachfolgenden weiter. Wie ist diese Funktion der Gesamtrepräsentation mit der Ausübung der kompetentiellen Teilgewalt im Staat zu vereinen? Macht der Fürst von seinen Kompetenzen starken Gebrauch, stellt er sich als eine Macht im Staat neben andere Kräfte und Organe, und seine Gesamistellung läuft Gefahr, zur blossen Teilgewalt abzusteigen. Wo der Fürst anderen Beteiligten gegenüber- und entgegentritt, die anderen Teilgewalten seine Bedingungen für sein Mitmachen wissen lässt, immer wieder und kraft­ voll von aussen auf deren Beschlüsse Einfluss nimmt, wird er selbst zur Partei im Staat. Auf diese Weise geht, nach geschichtlicher Erfahrung und von selbst einleuchtend, auf die Dauer die Funktion, alle zu reprä­ sentieren, verloren, welche allzuhäufige Partei- und Stellungnahmen nicht verträgt, werden monarchische Partialkompetenz und verfassungs­ rechtliche Gesamtrepräsentation antinomisch. Solches ist nicht bloss die Frucht des Einsatzes der eigenen Kompetenzen gegen andere Organe. Unvermeidlich leidet die Stellung als Staatsoberhaupt auch, wenn dieses, zweifellos aus Sorge, allzuhäufig persönliche Stellungnahmen und Wert­ urteile gegenüber anderen Organen oder Meinungen in die Medien streut, oder etwa bei Wahlen des Volkes seine persönlichen Präferenzen durchscheinen lässt und die Polarisierung nicht scheut. Zu einem neu­ lichen Einwirken des Fürsten in den Meinungsbildungsprozess vor einer Volksabstimmung bemerkt der Staatsgerichtshof, dass der Fürst "als Staatsoberhaupt für die Wahrung grundlegender Werte, die Darstellung 94
	        

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