Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht bb) Rechtlich zulässige Aufträge des Landesfürsten oder des Landtages Gemäss Art. 92 Abs. 1 obliegt der Regierung "der Vollzug aller ... recht­ lich zulässigen Aufträge des Landesfürsten oder des Landtages". Walter Kieber weist darauf hin, dass im Staatsrecht unter "Auftrag" oder "Man­ dat" die Vollmacht zu verstehen ist, "mit welcher ein Staatsorgan berech­ tigt wird, eine bestimmte Kompetenz eines anderen (auftraggebenden) Staatsorgans in dessen Namen auszuüben; die Kompetenz verbleibt der Substanz nach beim auftraggebenden Staatsorgan; die Ausübung der Kompetenz liegt in den Händen des beauftragten Staatsorgans.""6 Mit anderen Worten: der Fürst und der Landtag können ihnen selbst zuste­ hende Geschäfte der Regierung auftragsweise übertragen, nicht solche, die der Regierung zustehen. Im Falle solcher Aufträge ist das Stellvertre­ tungsverhältnis um der kompetentiellen berechenbaren Eindeutigkeit, der Transparenz und der Zurechenbarkeit willen jeweils nach aussen kundzugeben. Die Verfassung enthält keinerlei Einzelbestimmungen, die eine Ertei­ lung von Aufträgen des Fürsten oder des Landtages an die Kollegialre­ gierung vorsehen, im Unterschied etwa zu den Bestimmungen über die Beauftragung einzelner Bevollmächtigter zur Eröffnung und Schliessung des Landtages (Art. 54 Abs. 1 und 55). Auch in den einfachen Gesetzen sind keine solchen Auftragsmöglichkeiten statuiert. Welcher Sinn ist der abstrakten Formulierung von Art. 92 Abs. 1 der Verfassung zu entneh­ men? Wird berücksichtigt, dass das verfassungsmässige Legalitätsprinzip allgemein gilt und seine rechtsstaatliche Tragweite gerade im Bereich der Gewaltenteilung, der Zuständigkeiten und der Zurechenbarkeit der ent­ sprechenden Verantwortlichkeiten entfaltet,117 wird im Sinne einer "har­ monisierenden" Auslegung118 angenommen werden können, dass der Verfassunggeber mit der offenen Formulierung "rechtlich zulässige Auf­ träge" dem einfachen Gesetzgeber das Recht einräumen wollte, in defi­ nierten Einzelbereichen und unter Berücksichtigung der Kompetenz- und Funktionsverteilung der Verfassung Auftragsmöglichkeiten vorzu­ sehen. Der Gesetzgeber hat von solchen Möglichkeiten bisher nicht Gebrauch gemacht. 1.6 Vgl. Ausführungen Waller Kieber in diesem Band, S. 305ff.; Schenke, S. l!8ff., 148ff.; Triepel, S. 22ff.; 131 ff.; AntoniolH/Koja, S. 31 Of. 1.7 Vgl. Ausführungen vorn S. 29f. »« StGH 1982/39 LES 1983, S. 117f. 75
	        

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