Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Walter Kieber monarchischen Unterschrift zu beglaubigen. Irgend eine Verantwortung entstand damit nicht. Erst in der konstitutionellen Monarchie erhielt die Gegenzeichnung ihren auch heute noch wesentlichen Inhalt, nämlich die Schaffung eines Verantwortlichen für die staatlichen Akte des Monar­ chen. Für die Unverantwortlichkeit des Monarchen sollte ein notwen­ diges Korrektiv geschaffen werden. Man erreichte so den doppelten Zweck, den Fürsten vor den Wcchselfällen der Politik zu schützen und doch gleichzeitig einen verfassungsrechtlichen Verantwortlichen zu haben. In Liechtenstein geht das Gegenzeichnungsrecht auf die Zeit des Kon­ stitutionalismus zurück. So sah die konstitutionelle Verfassung von 1862 in § 29 vor, dass alle Gesetze und Verordnungen und alle Erlässe, welche vom Fürsten ausgehen, zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines im Lande anwesenden verantwortlichen Beamten erfordern. Im heutigen liechtensteinischen Verfassungsstaat hat die Gegenzeich­ nung einen doppelten Sinn. Sie beinhaltet in formeller Hinsicht die Beglaubigung der Unterschrift des Fürsten und in materieller Hinsicht die Schaffung eines Verantwortlichen für die Staatsakte des Fürsten, der seinerseits gemäss Art. 7 der Verfassung politisch und staatsrechtlich unverantwortlich ist. Mit der Gegenzeichnung billigt der Regierungschef den Willen des Landesfürsten und bezeugt die Verfassungs- und Gesetz­ mässigkeit sowie politische Richtigkeit des gegengezeichneten Aktes. Die durch die Gegenzeichnung begründete Verantwortlichkeit des Regierungschefs besteht gegenüber dem Landtag, und zwar in politi­ scher wie in staatsrechtlicher Hinsicht. Der Regierungschef hat ein umfassendes formelles und materielles Prüfungsrecht und kann von nie­ mandem zur Gegenzeichnung gezwungen werden. Er kann aber auch von niemandem gehindert werden, von seinem Gegenzeichnungsrecht Gebrauch zu machen. Die in Art. 65 der Verfassung verlangte Gegenzeichnung der Gesetze durch den Regierungschef ist rechtlich und politisch unproblematisch, weil mit der Sanktion des Gesetzes durch den Landesfürsten ein Kon­ sens zwischen Fürst und Volk (Landtag) zustande gekommen ist und der Regierungschef, wenn nicht ganz ausserordentliche Umstände vorliegen, keine Veranlassung haben wird, diesen Konsens durch Verweigerung der Gegenzeichnung zunichte zu machen. Anders liegen die Dinge bei der Gegenzeichnung der Regierungsakte, die ohne Mitwirkung des Landtags vom Landesfürsten einseitig erlassen 320
	        

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