Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Walter Kleber sung unüberwindlich entgegen. Ich persönlich neige der vierten Auffas­ sung zu und möchte dies wie folgt begründen: Aufgrund der Tatsache, dass bei der Wahl der Regierung dieser seitens des Landesfürsten und des Landtags das übereinstimmende Vertrauen entgegengebracht wird, ergibt sich zwingend, dass die Regierung bzw. jedes einzelne Regierungsmitglied für den Arbeitserfolg und für das Ver­ bleiben im Amt während der gesamten Amtsdauer eines doppelten Ver­ trauens, nämlich jenes des Landesfürsten und jenes des Landtags, bedarf.3 Wenn auch nur ein Teil - der Landesfürst oder der Landtag - der Regierung oder einem einzelnen Regierungsmitglied das Vertrauen ent­ zieht, so zerbricht der bis dahin zwischen Fürst und Landtag bestandene Vertrauenskonsens, was eine Amtsenthebung zur Folge haben muss. Da das Zerbrechen des Konsenses durch einen Vertrauensentzug gemäss Verfassung einseitig bewirkt wird, muss darüber naturgemäss kein neuer Konsens hergestellt werden. Dies hat zur Folge, dass keines der beiden obersten Organe, weder der Landesfürst noch der Landtag, ein Mitglied der Regierung gegen den erklärten Willen des anderen obersten Organs im Amt behalten kann. Das in Art. 80 der Verfassung enthaltene Wort "beantragen" steht die­ ser Auffassung nicht entgegen. Unter "Antrag" ist im liechtensteinischen Recht eine Aufforderung an die zuständige Instanz zu verstehen, eine bestimmte Entscheidung zu erlassen. Wenn die liechtensteinische Rechts­ ordnung in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Rechts eine Antrag­ stellung vorschreibt, so ist damit noch nichts darüber ausgesagt, ob der Antragsteller einen Anspruch besitzt, eine materiell bestimmte Entschei­ dung zu begehren. Ob dem Antragsteller ein Recht auf Verwirklichung seines Antrags zusteht, ist den materiellen Vorschriften zu entnehmen. Und diese sprechen in der gegenständlichen Frage, wie eben gezeigt, für das Bestehen eines Anspruchs auf Amtsenthebung auf Seiten des Landtags. Wer dieser juristischen Argumentation nicht folgen und im Falle eines Amtsenthebungsantrags 
des Landtags auf Seiten 
des Landesfürsten kein "rechtliches Müssen" feststellen will, wird aus realpolitischen Gründen zu einem Ergebnis kommen müssen, welches faktisch identisch ist. Eine Regierung, die das Vertrauen des Fürsten oder des Landtags verloren hat, J So auch die Meinung des Landcslürsten (siehe Thronrede vor dem Landtag vom 12. Mai 1993). 298
	        

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