Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Gerard Batliner c) Die verfassungsgerichtlicbe Auslegung der Verfassung Aus dem deutschen Kulturraum stammt, in veränderter Form, die Bestimmung des Art. 112 der Verfassung. § 153 Abs. 1 und 3 der Verfas­ sungsurkunde für das Königreich Sachsen von 1831 beispielsweise lau­ tete:15 "Wenn über die Auslegung einzelner Punkte der Verfassungsurkunde Zweifel entsteht, und derselbe nicht durch Ubereinkunft zwischen der Regierung und den Ständen beseitigt werden kann, so sollen die für und wider streitenden Gründe sowohl von Seiten der Regierung, als der Stande, dem Staatsgerichtshofe zur Entscheidung vorgelegt werden. Der hierauf ertheilte Ausspruch soll als authentische Interpretation angesehen und befolgt werden." Über Regelungen im Deutschen Bund und die liechtensteinische Konsti­ tutionelle Verfassung 1862 (§ 122) hat die Vorschrift des An. 112 Ein­ gang in die Verfassung 1921 gefunden.16 Die Regelung von Art. 112 ist von besonderer Tragweite, wenn die verfassungsrechtlichen Grundlagen als solche in einzelnen Punkten zwischen den politischen Gewalten Fürst17 und Landtag strittig und dergestalt in Frage gestellt werden. Art. 112 lautet: "Wenn über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung Zweifel entstehen und nicht durch Übereinkunft zwischen der Regie­ rung (i.e. Fürst, der Verf.) und dem Landtage beseitigt werden kön­ nen, so hat hierüber der Staatsgerichtshof zu entscheiden." Der Staatsgerichtshof entscheidet einen solchen Auslegungsstreit durch Feststellungsurteil. Der Entscheid über die Auslegung der Verfassung ist, ähnlich einer authentischen Verfassungsinterpretation durch den Verfas­ sunggeber, allgemein verbindlich. Doch im Unterschied zur authen­ tischen Verfassungsinterpretation, welche schlicht eine Form der Verfas- sunggebung ist (vgl. An. 65), hat der Staatsgerichtshof sich getreu an die 15 Huber, Dokumente I, S. 263ff.» 288f. 16 Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Batliner, Rechtsordnung, S. 105ff.; ders., Vcrfas- sungsschichtcn, S. 291 ff. 17 Batliner, Verfassungsschichten, S. 292, mit Nachw. 26
	        

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