Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Andreas Schurti 2. Herrschende Lehre und Rechtsprechung a) Totalvorbehalt Die heute herrschende Lehre und Rechtsprechung zum Verordnungs­ recht lässt sich wie folgt zusammenfassen: Sowohl in Osterreich als auch in Liechtenstein kann den geltenden Verfassungsbestimmungen nicht entnommen werden, ob der Vorbehalt des Gesetzes allgemeine Gültig­ keit hat oder nicht. Auch der österreichische Verfassungsgerichtshof legte Art. 18 Abs. 2 des Österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes, welcher früher Art. 92 Abs. 1 der liechtensteinischen Verfassung sehr ähnlich war, anfänglich nicht so aus, als ob ein totaler Vorbehalt exi­ stierte. Die Verwaltungsbehörden durften auch in den von den Gesetzen nicht abgedeckten Bereichen Verordnungen erlassen. Erst mit dem Erkenntnis VfGH 176 leitete der österreichische Verfassungsgerichtshof eine radikale Wende ein, die sich bis heute gehalten hat. Unter Berufung auf Art. 18 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes werden nur noch Durchführungsverordnungen gestattet. Ein gesetzesergänzendes oder gesetzesänderndes Verordnungsrecht wird ausgeschlossen. Die Durch­ führungsverordnungen müssen vom Gesetz inhaltlich genügend bestimmt sein: "Nicht nur das 'Ob', sondern auch das 'Wie' der Nor­ mierung (müsse) in Gesetzesform bestimmt sein."66 Nur durch die inhaltliche Bestimmung der Verordnungen würden verfassungswidrige "formalgesetzliche Delegationen" verhindert.67 Ein Grossteil des Schrift­ tums ist der Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichts­ hofes gefolgt und sieht in Art. 18 des Bundes-Verfassungsgesetzes gera­ dezu den totalen Vorbehalt des Gesetzes verankert.68 In Liechtenstein wurde die österreichische Lehre und Rechtsprechung übernommen.69 Dies hat zur Folge, dass Art. 92 Abs. 1 und 2 der Verfas­ sung (wie Art. 18 Abs. 1 und 2 des österreichischen Bundes-Verfassungs­ gesetzes) zu "Grundnormen" der Verfassung aufsteigen, die letztlich die «• VfGH 176. 67 Urschitz, "Auf Grund der Gesetze", S. J17ff.; Klecatsky, Die Funktion des Gesetzes, S. 174. Vgl. Schurti, Verordnungsrecht, S. 206. 68 Klecatsky, Die Funktion des Gesetzes, S. I76ff; Aichlreicer II, S. 986ff. 69 Schurti, Verordnungsrecht, S. 206, 305, mit Hinweisen. Vgl. StGH 1975/4, S. 13, wonach der liechtensteinische Staatsgerichtshof nicht die gleich strengen Massstäbe anlege wie der österreichische Verfassungsgerichtshof. 252
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.