Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Hilmar Hoch Dieses sogenannte Behördenreferendum kommt in der Praxis häufig bei Vorlagen im Bereich der Volksrechte und des Steuerrechts sowie bei umstrittenen Gesetzesvorlagen zur Anwendung. Bei diesem Vorgehen mag zuweilen eine gewisse Angst vor der politischen Verantwortung mitspielen.73 Falls jedoch mit Sicherheit mit der Ergreifung des Referen­ dums zu rechnen ist, erhöhen sich unzweifelhaft die Erfolgschancen einer Vorlage, wenn der Landtag die Flucht nach vorn ergreift und von sich aus eine Abstimmung beschliesst.74 In Liechtenstein sind zahlreiche Erlasse von vornherein dem Referen­ dum entzogen. Laut Art. 4 und 10 des Zollvertrages sind die gesamte schweizerische Zollgesetzgebung sowie die durch den Zollanschluss bedingten Erlasse auch in Liechtenstein anwendbar. Für ein eigenständi­ ges liechtensteinisches Referendum bleibt kein Platz, zumal es sich bei den in Liechtenstein anwendbaren schweizerischen Erlassen auch nicht um Landtagserlasse im Sinne von Art. 66 Abs. 1 LV handelt. Wie in der Schweiz kann bei uns ein Gesetz - anders als ein Staatsver­ trag - durch Dringlicherklärung dem Referendum entzogen werden. Während in der Schweiz aber ein Erlass nur bei zeitlicher Dringlichkeit dem Referendum entzogen werden darf und auf ein Jahr befristet sein muss,75 gelten diese Einschränkungen bei uns nicht. In der Literatur wird zwar zu Recht die Beschränkung der Dringlicherklärung auf Ausnahme­ fälle effektiver Dringlichkeit gefordert,76 doch werden in der Praxis Finanzerlasse77 nach wie vor routinemässig dringlich erklärt.78 Für den Fall eines liechtensteinischen EWR-Beitrittes dürfte die Dringlichkeits­ erklärung wohl auch für EWR-Materie betreffende Gesetze in mehr oder weniger grossem Umfang zur Anwendung kommen.79 73 Vgl. Ritter, Demokratie, S. 7. 7A Vgl. Ritter, Gesetzgebungsverfahren, S. 75. 75 Art. 89 bis BV. Vgl. Hangartner, S. 107f. 76 So M. Batliner, S. 188 mit Verweis auf Ritter, Demokratie S. 7 und Schurti, S. 153. 77 Es sind dies das Finanzgesetz samt dem Voranschlag sowie die Sammelnachtragskredite; Allgäuer, S. 241 und 245. Dieser spricht sich zwar nicht gegen den Ausschluss des Refe­ rendums bei diesen Finanzerlassen aus, schlägt aber für sie ein besonderes Beschlussver­ fahren ohne Referendumsmöglichkeit vor, um so eine Zweckentfremdung des Dring­ lichkeitsrechts zu vermeiden; a.a.O., S. 186 und 243; vgl. auch M. Batliner, S. 187f. Eine solche Lösung würde indessen eine Abänderung von Art. 66 Abs. 1 LV voraussetzen. 78 Während in den 30er und 40er Jahren auch zahlreiche andere Landtagserlasse dringlich erklärt wurden, ist dies in der jüngeren Vergangenheit kaum mehr geschehen. Vgl. aber immerhin das Verfassungsgesetz über die Regelung der Güterzusammenlegung (LGBI. 1978/35) und dazu Waschkuhn, S. 206 mit Nachweisen. 79 Siehe M. Batliner, S. 189, mit Nachweisen. Bruha/Büchel, S. 11, sprechen sich - abgese­ hen von einer Ubergangsphase nach dem EWR-Beitritt - gegen eine Überstrapazierung 222
	        

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