Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Hilmar Hoch Regierung eine Volksabstimmung anzusetzen. Dabei ist nicht klar, ob die Regierung an eine Frist gebunden ist.49 Neben der ausformulierten Initiative sieht das Volksrechtegesetz auch die Form der sogenannten einfachen Anregung zur Schaffung, Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes oder der Verfassung vor (Art. 81 Abs. 1-4 VRG). Die einfache Anregung ist für den Landtag nicht verbindlich. Stimmt er dieser zu, so erledigt er die Angelegenheit im Sinne der Initi- anten; lehnt er die Initiative ab, fällt diese dahin. Die einfache Anregung ist demnach im Vergleich zur formulierten Initiative ein weit weniger effizientes Mittel zur Initiierung des Gesetzgebungsverfahrens. In der Praxis ist diese Form der Initiative denn auch seit Jahren nicht mehr benutzt worden.50 Die formulierte Initiative zeichnet sich dagegen gerade dadurch aus, dass der Landtag auf den von den Initianten gewählten Wortlaut nicht den geringsten Einfluss nehmen kann. Falls die Initiative zulässig ist, vom Landtag aber abgelehnt wird, ist sie unverändert in der vorgeschla­ genen Form dem Volk vorzulegen (Art. 82 Abs. 2 VRG).51 Die Unabänderlichkeit des Initiativtextes wird nun aber durch das Instrument des Gegenvorschlages wesentlich entschärft. Das Volksrech­ tegesetz - nicht etwa die Verfassung - sieht vor, dass der Landtag dem Initiativtext einen solchen Gegenvorschlag als Abstimmungsalternative beigeben kann (Art. 82 Abs. 3 VRG). Der Gegenvorschlag konnte bis zur Einführung des doppelten Ja im Jahre 1987 recht gezielt zur Torpe­ dierung von Volksinitiativen eingesetzt werden. Denn die Ja-Stimmen teilten sich regelmässig derart zwischen Initiativtext und Gegenvorschlag auf, dass keine Variante das absolute Mehr erreichte.52 Im Gegensatz zur Schweiz bestand in Liechtenstein auch keine Möglichkeit für das Initia­ tivkomitee, seine Initiative zurückzuziehen, um zumindest dem Gegen- 49 Siehe a.a.O., S. 156 mit Nachweisen. 50 Vgl. a.a.O., S. 144f. 51 Dieser radikal innovative Zug der (formulierten) Volksinitiative wurde denn auch in der Schweiz bei deren Einführung im Jahre 1891 scharf kritisiert: Sie wurde als "anarchi­ stisch", als "organisierte Revolution" angeprangert (a.a.O., S. 137 mit Nachweisen). Bei der Schaffung der liechtensteinischen Verfassung dreissig Jahre später waren indessen die direkt-demokratischen Rechte nicht mehr umstritten (Siehe Quaderer, vorne S. 127ff.). Die Initiative hat sich in Liechtenstein im übrigen auch als wesentlich erfolgreicher erwiesen als in der Schweiz: Von 23 Initiativbegehren wurden nicht weniger als zehn vom Volk angenommen (Waschkuhn, S. 328). 52 Ausführlich zum Ganzen M. Batliner, S. 141-143. 216
	        

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