Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Hilmar Hoch Von der Gesetzgebung zu unterscheiden ist im weiteren der Erlass von sogenannten fürstlichen Notverordnungen. Gemäss Art. 10 LV kann der Fürst solche Notverordnungen in Ausnahmesituationen ausserhalb des regulären Gesetzgebungsverfahrens erlassen. Sie benötigen keine gesetzliche Grundlage und bedürfen einzig der Gegenzeichnung des Regierungschefs.12 4. Materielle Schranken der Gesetzgebung Gibt es Schranken der Gesetzgebung, mit anderen Worten, gibt es eigentlich 
verbotene Gesetzesinhalte? Die Frage ist zu bejahen. Einfache Gesetze dürfen nicht gegen höherrangige Rechtsnormen, also gegen die Verfassung oder Staatsverträge mit Verfassungsrang Verstössen. 
So ist der Gesetzgeber an die Grundrechte der Verfassung, insbesondere an das Willkürverbot13 und seit dem Inkrafttreten der Europäischen Menschen­ rechtskonvention für Liechtenstein im Jahr 1982 auch an den Grund­ rechtskatalog der EMRK14 gebunden. Aufgrund der Einrichtung der Verfassungsgerichtsbarkeit besteht in Liechtenstein auch ein wirkungs­ volles Prüfungsverfahren, das es dem Staatsgerichtshof erlaubt, verfas- sungs- oder EMRK-widrige Gesetzesbestimmungen aufzuheben. Für den Fall des Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum wäre der Gesetzgeber zudem an das EWR-Recht gebunden. Nicht gebunden ist der Gesetzgeber indessen an bestehende Gesetze einschliesslich den auf Gesetzesstufe stehenden Staatsverträgen: Falls zwischen altem und neuem Recht ein Widerspruch entsteht, tritt das alte nach dem Grund­ satz, dass das spätere das frühere Gesetz derogiert, automatisch ausser Kraft.15 Wenn sich der Gesetzgeber beim Erlass von Gesetzen an die Verfas­ sung zu halten hat, schliesst sich zwangsläufig die weitere Frage an, ob er denn bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Verfassung selbst frei ist. Dies ist in der Lehre umstritten. Zunächst ist auch hier davon auszuge­ hen, dass die Verfassung nicht gegen die Europäische Menschenrechts­ 12 Siehe G. Batliner, vorne S. 87f., und Ritter, Gesetzgebungsverfahren S. 76. Nach Nawias- ky, S. 7, zitiert bei Schurti, S. 73, ist das Notverordnungsrechc gemäss Art. 10 LV vom Fürsten auf die Regierung übergegangen. So etwa StGH 1988/21, LES 1989, S. 131. 14 Siehe G. Batliner, Rechtsordnung, passim. ,s Vgl. Schneider, S. 275. 208
	        

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