Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Monarchie und Demokratie als Kontroversfragen Akte, könnte ein umfassenderes Bild dieser Verfassungslage zeichnen. Wir lassen es vorläufig bei diesem Hinweis bewenden und fragen uns: Was hätte das "parlamentarische" Verfassungsmodell bedeutet? In die­ sem ist der Monarch nur noch formelles Staatsoberhaupt, könnte aber auch noch bestimmte Prärogativen besitzen. Die Regierungsmitglieder sind vom Landtag abhängige Regierungsmitglieder. Dies im Gegensatz zum bisherigen konstitutionellen System, nach dem sie vom Fürsten allein ausgewählt und ernannt wurden. Instrumente, sie zu kontrollieren und sich ihnen gegenüber durchzusetzen, sind parlamentarisches Miss- trauensvotum und Untersuchungsausschüsse. Der Landtag ist nach Mehrheit und Minderheit der Abgeordneten strukturiert und setzt eine Wählerschaft in Parteien voraus. Konflikte werden durch Mehrheitsent­ scheid gelöst.114 Vergleicht man diese Verfassungsordnung mit dem Staatstypus der Verfassung von 1921, die in den staatsrelevanten Fragen den Konsens bzw. den Kompromiss verlangt, ersieht man den Wesensunterschied. Der Schritt zur parlamentarischen Monarchie, der aus der Sicht der Reformkräfte wünschenswert und konsequenter gewesen wäre, liess sich unter den damaligen historischen und sozialen Gegebenheiten nicht ver­ wirklichen. In den Augen der auf Kontinuität bedachten Verfassungs­ kreise musste dieses parlamentarische Verfassungsmodell, das die Herr­ schaft des Volkes über die Regierung in sich barg, eine antimonarchische Note bekommen, denn es wurde offenkundig, dass mit dem Prinzip der Volkssouveränität das monarchische endgültig überwunden worden wäre. Zudem sind die Parteien, die das parlamentarische System voraus­ setzt, erst im Entstehen begriffen und die Widerstände gegen sie noch gross. Der einmal unter dem Schlagwort "Demokratisierung" der Monar­ chie in Gang gekommene Verfassungsprozess konnte auch von den kon­ servativen und monarchistischen Kräften nicht mehr aufgehalten wer­ den. Das hiess, in Richtung Parlamentarisierung zu gehen und eine Ver­ sion des modernen Verfassungsstaates zu wählen, die sowohl der Monar­ chie als auch der Demokratie Rechnung trug. Ein fast unmögliches Unterfangen, wenn man den Konfliktsfall bedenkt, für den die Verfas­ sung keine staatsrechtliche Lösung anzubieten vermochte. 1,4 So Boldt, Deutsche Staatslehre im Vormärz, S. 287. 189
	        

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