Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Herbert Wille 2. Verfassungsauftakt Bei der Eröffnung des Landtages am 14. Oktober 1918 unterzog Dr. Wil­ helm Beck die Regierung einer harschen Kritik und kündigte einen Initiativantrag auf Einführung einer parlamentarischen (Volksmit)- Regierung an. Nach seinen Ausführungen sollte die Regierung "voll­ kommen auf den Boden des Parlamentarismus gestellt werden". Es gehe ein demokratischer Zug durch die Welt. Gegenüber Landesverweser Baron von Imhof verlangte er, dass die beiden Landräte (Regierungsmit­ glieder) öfters zu Regierungsberatungen beigezogen werden sollten. Die­ ser verwahrte sich gegen solche Angriffe, indem er sich auf § 28 der Ver­ fassung von 1862 berief, wonach die Organisation der Staatsbehörden dem Landesfürsten allein obliege. Der Antrag bedeutete demnach einen "Eingriff in die Rechte der Krone", der ihm unangebracht erschien. Seine Bemerkung jedoch, er könne doch nicht, wenn er in Wien unten bei den Amtsstellen herumgehe, jedesmal die telegraphische Zustimmung der Landräte einholen, musste das erwachte liechtensteinische "Nationalge- fühl" verletzen. Diese kaum als Rechtfertigung zu wertende Äusserung stellte ihn und seine Amtsführung in ein schlechtes Licht. Der Vorgang entsprach aber durchaus der Realität. Damit ist der Auslöser des Konflikts angesprochen, die fürstliche Hofkanzlei, die eigentliche "Regierungs- und Verwaltungsbehörde" des Landes, so dass das Regierungssystem als "verkappter Absolutismus" oder als "Fremdbeamtenherrschaft" blossgestellt wurde. Dieser Zustand erregte den Unwillen des liechtensteinischen Volkes, so dass eine kämp­ ferische Antwort von Dr. Wilhelm Beck erklärlich ist und nur lauten konnte: "Wir wollen eine parlamentarische Regierung und von diesem Standpunkte, den auch das Volk in seiner überwiegenden Mehrheit teilt, lassen wir uns nicht mehr abbringen."81 In diesem Wortgefecht zeichnete sich schon der Vorgang vom 7. November 1918 ab, der zur Wahl des Vollzugsausschusses und zur 81 7um Ganzen die Beilage zu Nr. 44 des LVobl. Nr. 44 vom 1. November 1918 "Genehmigtes Landtagsprotokoll vom 14. Oktober 1918"; dazu auch Schadler, Jb 1921, S. 9, 38ff. Diese "volksentfernte" Rolle der Hofkanzlei erkannte man auch in monarchi­ stischen Kreisen. So weist Prinz Eduard von Liechtenstein in einem Schreiben vom 30. Juni 1919 an Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein darauf hin, dass die Hof- kanzlci "vielfach als jene Stelle angesehen (werde), die als Scheidewand zwischen Land und Fürsten" wirke. LLA, Präs. 1919/Z1. 48. 170
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.