Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Monarchie und Demokratie als Kontroversfragen Augen, dass der Verfassungsweg zur Demokratie mit dem Liberalismus einherging, gegen den die katholische Kirche Frontstellung bezog, ver­ wundert es nicht, dass im Umfeld der Verfassungsauseinandersetzungen die katholische Kirche, sei dies auf Diözesanebene oder Landeskirchene­ bene, ihren Standpunkt vertrat, der sich noch stark an den päpstlichen Syllabus von 1864 anlehnt, in dem die Zeitirrtümer gegeisselt werden. Auch dies erstaunt angesichts der im Fürstentum Liechtenstein herr­ schenden religiösen lind politischen Zustände nicht. Kirche und Staat bilden eine "Einheit". Daher können Veränderungen am Staatsgebilde Veränderungen im Staat verursachen, von denen auch die Kirche betrof­ fen wäre, zumal die Verfassungspostulate unter dem: Zeichen der "Demokratisierung" der Monarchie standen.701* Es ist bekannt, dass sich die katholische Kirche mit der Demokratie­ forderung schwer tat und erst allmählich ein Wandel in ihrer Einstellung eintrat. So erklärte Papst Leo XIII. erst 1885 in der Enzyklika Immortale Dei: "Wenn das Volk in mehr oder minder grossem Umfange an der Ausübung der Staatsgewalt beteiligt ist, ist das an sich nicht zu tadeln, ja eine solche Teilnahme kann in bestimmten Zeiten und unter bestimmten Gesetzen nicht nur zum Nutzen der Bürger beitragen, sondern geradezu zu ihren Pflichten gehören V Als im Gefolge des Ersten Weltkrieges aus Monarchien Republiken entstanden, fand nicht zuletzt aus pastoralen Gründen die Bedeutung der Demokratie in der Lehre der Päpste ver­ mehrte Beachtung.72 Diese innerkirchliche Entwicklung scheint auf Diö- zesan- und Landeskirchenebene nicht wahrgenommen worden zu sein oder ist zumindest auf wenig Beachtung gestossen. Es gab nämlich; was in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben darf, nach wie vor auch beachtliche Stimmen in der katholischen Staatslehre,'die trotz der Demokratisierung der Staatsformen nach dem Ersten Weltkrieg weiter­ hin dem erbmonarchischen Legitimitätsgedanken anhingen.73 Das Ineinsgehen mit der Monarchie in Liechtenstein machte eine solche Ein­ stellung der Kirche geradezu zur Pflicht. 751 Vgl. etwa das Schreiben des Prinzen Eduard von Liechtenstein vom 6. April 1920 an Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein, LLA, Präs. 1920/ZI. 64, und das Schrei­ ben vom 7. Juni 1919 an den Fürsten, LLA, Wiener Gesandtschaft betr. Verfassung 1921, Bündel X. 71 Zitiert nach Schambeck, S. 84; vgl. auch Gilg, S. 245. 72 So Schambeck, S. 84. 73 Würtenberger jun., S. 261. 167
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.