Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Herbert Wille d) Dualistisch strukturierte Gesetzgebungskompetenz Mit der verfassungsmässigen Beteiligung des Landtages an der Gesetzge­ bung, wie sie in den §§ 24 und 39ff. umschrieben ist, gerät die unter der absoluten Staatsauffassung herrschende einheitliche Rechtssetzungs­ kompetenz als Ausdruck der im Monarchen liegenden Staatssouveränität in eine "Schiefläge". Der Widerstreit zweier unvereinbarer Prinzipien (des monarchischen und des demokratischen) wird augenfällig. Vorerst ist die gesetzgeberische Mitbestimmungskompetenz noch keine allgemeine und daher nicht Ausdruck von "Volkssouveränität". Nach den §§ 55 und 57 der Verfassung von 1862 werden drei Landtags­ mitglieder vom Fürsten ernannt. Aktiv und passiv wahlberechtigt sind liechtensteinische Landesangehörige männlichen Geschlechts, welche u.a. einen Beruf für sich auf eigene Rechnung betreiben. Dies änderte sich mit der Abänderung des Landtagswahlmodus vom 19. Februar 1878.36 Es zeigt sich schon hier, dass mit der Ausbildung parlamentarischer Mitwirkungsrechte in der Verfassung von 1862 das vorhin beschriebene monarchische Prinzip mit der alleinigen Verkörperung der Staatsgewalt im Fürsten fraglich wird. Jedenfalls lässt sich eine gemeinsame Gesetzge­ bungskompetenz, wofür die §§ 24 und 41 ein beredtes Beispiel abgeben, nurmehr schwer in diese monistische Theorie der Staatsgewalt einord­ nen.37 Die Verfassung von 1862 entsprach dem vom monarchischen Prin­ zip beherrschten Staatstypus nicht mehr ganz. Sie räumte dem Landtag die Gesetzesinitiative und eine Mitsprache bei der Aufstellung des Staatshaushalts ein. Es kam also zu parlamentarischen EinflussmÖglich- keiten auf die monarchische Regierung, die das monarchische Prinzip in seinem ursprünglichen Verständnis nicht zugelassen hatte.38 Damit eine solche Erweiterung parlamentarischer Kompetenzen nicht zu einer Entwicklung führte, die die Staatsgewalt in der Volkssouverä­ nität begründete, wurde ihr als Verfassungskonstrukt die Theorie vom Staat als juristische Person entgegengesetzt.39 Der Staat ist nicht mehr mit dem Monarchen gleichzusetzen, sondern wird zur juristischen Person 36 LGB1. 1878 Nr. 3; zum Begriff "Volksvertretung" vgl. Geiger, LPS 8, S. 42. 37 Grimmer, S. 62f.; vgl. auch Geiger, LPS 8, S. 41 f. 38 Geiger (Geschichte, S. 303f.) bezeichnet die Verfassung von 1862 aus der Perspektive der dcuschen Verfassungsentwicklung als fortschrittliche Verfassung. Gleicher Meinung ist Schädler,Jb. I919,S.39f. " Grimmer, S. 63. 154
	        

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