Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Rupert Quaderer V. Die Forderungen des Bischofs von Chur Der Vollkommenheit halber sei auch noch auf das Verhalten des Bischofs von Chur, Georgius Schmid von Grüneck, hingewiesen. Der Bischof von Chur war mit einigen Bestimmungen der neuen Verfassung gar nicht ein­ verstanden. In Besprechungen mit dem Fürsten in Wien und mit Prinz Franz75 in Chur hatte er versucht, Modifikationen zugunsten der Bestimmungen über die Kirche und das Erziehungswesen herbeizu­ führen. Die Wünsche des Bischofs fanden aber im Lande keine gute Auf­ nahme. Vor allem die Forderung, in Art. 37 (die röm.-kathol. Kirche ist Landeskirche) müsse nach den Worten "Die röm.-katholische Kirche... geniesst als solche den vollen Schutz des Staates" eingesetzt werden "nach Massgabe ihrer Rechtsnormen", wurde entschieden abgelehnt. Gegenüber dem Bischof wurde von Wien aus argumentiert, der Fürst habe die Vorsanktion bereits gegeben, und das "Reformwerk befinde sich im Stadium der parlamentarischen Behandlung".76 Peer, der liberal dachte, meinte gegenüber Josef Ospelt: "Solange das Fürstenhaus Liech­ tenstein in Liechtenstein herrscht, braucht der Bischof von Chur keine Angst davor zu haben, dass etwa die Regierung Ausflüge auf das Gebiet der Christenverfolgungen unternehmen" werde.77 Peer warnte davor, Kirchenrecht zu einem Bestandteil der Verfassung zu machen; darin sei potentiell eine Quelle für künftige Kulturkämpfe enthalten. Emil Beck, der zu einer Stellungnahme zu den Anträgen des Bischofs aufgefordert wurde, erklärte, dass "alle Anregungen dem geltenden schweizerischen Recht widersprechen" würden.78 Der Bischof seinerseits las "Landesverweser" Ospelt die Leviten und warf ihm vor, er huldige dem "Modernismus" und hielt fest, Ospelt habe "diese unkatholische Anschauung" wohl unbewusst von seinem liberalen Amtsvorgänger (gemeint ist Josef Peer) eingesogen.79 Der Bischof 75 Prinz Franz, 1853-1938, Bruder von Fürst Johann II. 76 LLA SF 1.10/1921/115, Josef Ospelt an Prinz Franz, 23. Juni 1921. 77 LLA SF 1.10/1921/115, Peer an Josef Ospelt, 22. 7. 1921. 78 LLA RH 1921/3290ad963, Gesandtschaft Bern an Regierung, 21. Juli 1921. Die Anregungen des Bischofs von Chur gingen dahin: a) In § 16 (Erziehungs- und Unterrichtswesen) des Verfassungsentwurfes einzusetzen: "vorbehaltlich des § 37". b) In § 37 (Glaubens- und Gewissensfreiheit) einzusetzen: "mit Vorbehalt der Rechte Dritter". c) In § 37 einzusetzen "nach Massgabe ihrer Rechtsnormen". w LLA SF 10/1921/141, Bischof an Landesverweser, 18. August 1921. 136
	        

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