Volltext: Die liechtensteinische Verfassung 1921

Rupert Quaderer Die ON bemerkten darauf am 1. Mai 1920 zur Verfassungsfrage: "Bei uns gibt es nichts zu verwesen, wohl aber zu regieren."50 Am 2. Mai 1920 versammelten sich ca. 250 FBP-Anhänger im Adler­ saal in Vaduz. Die am Schluss der Versammlung verfasste Resolution ent­ sprach dem im April in Eschen verfassten Text. Inzwischen handelte die Volkspartei und stellte am 9. Mai 1920 eine "Volksdemonstration" in der "Au-Bündt" in Vaduz auf die Beine, an der laut Bericht der ON über 1000 Mann teilnahmen.51 Diese Versammlung wurde mit einem Umzug, angeführt von den Musikkapellen aus Triesen und Triesenberg, eröffnet. Dem Umzug wurde eine Tafel mit der Auf­ schrift "Liechtenstein den Liechtensteinern" vorangetragen. In der Au-Bündt sprachen Parteiobmann Anton Walser, Reallehrer Gustav Schädler, Landtagsabgeordneter Wilhelm Beck sowie mehrere Vertreter des "einfachen Volkes"52. Gustav Schädler redete die Anwesenden als "freie Bürger" an und verkündete als Zweck dieser Versammlung, dass das Volk das wolle, was es andernorts auch habe: "Es will sich selbst regieren".53 Schädler stellte in der Rede die gleichen drei berühmten Fra­ gen, die Abbe Emanuel Sieyes in seiner Flugschrift54 zu Beginn der Fran­ zösischen Revolution erhoben hatte: "Was ist das Volk eigentlich? - Alles! Was war es bisher? - Nichts! Was will es sein? - Etwas!"55 50 ON 35/1. Mai 1920. 51 ON 38/12. Mai 1920. Laut LVolksblatt 38/12. Mai 1920 waren in der Au-Bündt 700-800 Personen versammelt; die versammelte Menschenmenge setzte sich gemäss LVolksblatt aus Anhängern der Volkspartei, Neugierigen beiderlei Geschlechts, Minderjährigen, Kindern und Ausländern zusammen. 32 Es sprachen Johann Beck und Luzius Gassner, beide aus Triesenberg, H. Büchel aus Ruggell, Andreas Vogt aus Balzers. A. Vogt hatte am 25. November 1919 als Zuhörer in der Landtagssitzung ausgerufen: "Nieder mit der Regierung! Hoch die Republik!" » ON 38/12. Mai 1920. * Emanuel Sieyes: Qu'esi-ce que le tiers etat? (1789). K Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass am 19. April 1920 die Eisenbahner der Linie Feldkirch - Buchs streikten und am 4. Mai 1920 die Postangestellten in Liech­ tenstein höhere Entlohnung verlangten, ansonsten sie mit Streik ihre Forderungen durchsetzen würden. Da die Regierung auf ihre Forderungen nicht einging, erklärten sich die Postangestellten am 15. Mai 1920 "als im Streik befindlich". Die Streikenden nahmen am Montag morgen, 17. Mai, ihre Arbeit wieder auf (LLA, SF Präsidialakten 1.9/1920/99,20. Juni 1920; Originale bei LLA, Gesandtschaftsakten Wien, .V3/l 196). Am 20. Juni 1920 hielten "die Liechtensteiner in der Schweiz" im Restaurant "Alpenhof" in Zürich-Enge eine Versammlung ab, an der Delegationen der Liechtensteiner Vereine aus St. Gallen, Zürich und Baden, sowie Gruppen aus Frauenfeld, Zug, Hemberg, Wald, Dietikon, Wohlen und Mellingen teilnahmen. Im Auftrag der sich allseits vorher ver­ sammelten Bürgerschaft Liechtensteins von total 600 Mann wurde eine Resolution ver- fasst. Darin wurden die Entschliessungen der Volksdemonstration vom 9. Mai 1920 voll 124
	        

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