James Ensor (1860-1949)
Diables rossant anges et archanges, 1888
Radierung
25 X 29,3 cm
35,8 X 47,7 cm
Bez. u. r.: James Ensor 1888
Croquez 24; Delteil 23; Tavernier 23
LSK 82.01
Das Blatt wird bei Albert Croquez auch als Le combat des de-
ons geführt.‘ Es steht der Zinkradierung Les cataclysmes des
zleichen Jahres nahe, zu der Ensor selbst schrieb: «J’y fait du
uturisme sans le savoir».? Ebenso bietet sich ein anderes Blatt
dieser Zeit zum Vergleich an, Les vents (auch Sorcieres dans la
bourrasque genannt), Blätter, die der reinen Imagination ent-
springen. Gleichzeitig entstehen 1888 zahlreiche Landschaftsra-
dierungen. Aber es ist vor allem das Jahr seines populärsten
Gemäldes Christi Einzug in Brüssel, Ensor hatte seit 1886 in-
;ensiv die Technik des Radierens in Angriff genommen. Er ent-
wickelt in ihr Themen, die sich leitmotivisch durch sein gesam-
ies Werk ziehen. Repräsentativ steht dafür zum Beispiel die
Zeichnung Dämonen, die mich quälen. Er radiert sie 1895 und
benutzt sie drei Jahre später noch einmal als Frontispiz für La
plume. Peiniger, Teufel, Dämonen gehören zu seinem Instru-
mentarium. Die Maske — eine Metapher, ohne die Ensors bild-
nerisches Denken nicht vorstellbar ist — beschreibt sein gespal-
;‚enes Verhältnis zur Gesellschaft, die für den Künstler nichts
anderes als eine Karnevalslarve ist. Das vorliegende Blatt
verdeutlicht einen seiner typischen Stilgriffe: Mit linearem
Strich evoziert er eine Menge. Dasselbe Phänomen erscheint in
Blättern wie Die Schlacht der goldenen Sporen von 1891 oder
Strandbad von Ostende aus dem gleichen Jahr. Doch zeigt die
Radierung Zeufel verprügeln Engel und Erzengel nicht Einzelfi-
zuren, sondern eine Menge skurriler Wesen, eine dämonische
Meute von Teufeln, Chimären, Phantasietieren, die in einem
Nicht-Raum zu schweben scheinen, der keine Begrenzungen hat
und der den irrealen Aspekt des Themas unterstreicht. Es lassen
sich nur mit Mühe die Engel von den Teufeln unterscheiden,
denn sie alle haben groteske Züge angenommen. Ensor fabuliert
hier mit Humor und Satire über eine seiner Visionen, von denen
ar besessen war. «Vision» war eines seiner Lieblingswörter und
zehörte zu seinem permanenten Wortschatz.” Das Thema der
Peiniger scheint hier satirisch von Ensor gelöst worden zu sein.
{n diesem Fall aber ist es Zeugnis seines Grundverhältnisses zur
Welt und ihrer Gesellschaft, die er halluzinatorisch als Bild der
Panik erlebt, bewohnt von Menschenmassen, die sich verhalten,
als wären sie von einer Massenpsychose ergriffen, um Angst
und Schrecken zu verbreiten. E.B.
Croquez, Albert: L’ceuvre illustre de James Ensor. Geneve/Bruxelles, 1947, Nr. 24
Zit. nach Croquez, wie Anm. 1, Nr. 37.
Growe, Bernd: Die Demaskierung der Natur. In: James Ensor. Ausst.-Kat. Kunst-
verein Hamburg, 1986/87, S. 48