Volltext: Bestandeskatalog

Karl Prantl (1923) 
Fünf Anrufungen, 1990 
3 
Kanadischer Granit 
300 X 57 X 110 cm 
LSK 91.17 
Als Karl Prantl 1959 erstmals zu einem Symposium europäi- 
scher Bildhauer in die Steinbrüche von St. Margarethen im Bur- 
genland einlud, konnte keiner ahnen, dass die gemeinsame Ar- 
beit am Steinblock und unter freiem Himmel für viele Bildhauer 
ein grösser Schritt in die Freiheit sein würde, Prantl, der Initia- 
tor des Bildhauersymposiums, hoffte sogar, dass die Skulpturen 
dort. wo sie entstanden waren, bleiben «und für alle Menschen 
dasein» könnten.‘ Aber dieser Wunsch liess sich nur in wenigen 
Fällen verwirklichen, zum Beispiel 1971 beim Symposium Ur- 
banum in Nürnberg, wo Karl Prantl einen mächtigen Granit- 
block auf dem Hauptmarkt unter den Augen der Passanten mit 
Hammer und Meissel bearbeitet hatte. Damals äusserte deı 
Künstler die Auffassung: «Die Plastik soll den Betrachter ästhe- 
ösch erfreuen und darüber hinaus zum Treffpunkt für Menschen 
werden. Ihre vielgestaltige Oberfläche soll die Leute zum 
Fühlen animieren und sie dadurch physisch und schliesslich 
auch psychisch sensibler machen.» 
Prantis Skulptur aus dunklem kanadischem Granit, ein achtung- 
gebietender, aufrechter Block von drei Metern Höhe, ist jedoch 
nicht nur ein Instrument der öffentlichen Bildung, die ım Hın- 
blick auf die Bildhauerkunst im öffentlichen Raum ohnehin 
zu wünschen übriglässt,* sondern auch ein Aufruf zur Kontem- 
plation. Der Werktitel Fünf Anrufungen, der in der senkrechten 
Reihe von fünf gerundeten Aufbohrungen vergegenwärtigt ist, 
verlangt nach stiller Versenkung in die Symbolik der «heiligen 
Zahlen», denen man seit langem im Schaffen Karl Prantis be- 
gegnet. Seine Kunst sei religiöser Natur, hat Eva Badura-Triska 
lapidar ausgesagt und die Steinskulpturen durch Inhalte deı 
katholischen Religion erklärt: «Fünf Kreise etwa stehen in Ana 
logie zu den fünf Anrufungen eines Rosenkranzes.»“ 
Da Karl Prantl vom Stein ausgeht, auf ihn reagiert, ihm antwor- 
tet, darf man den künstlerischen Prozess als Dialog charakteri- 
sieren. Die Eigenart des von Prantl bevorzugten Materials — er 
zieht die besonders harten Steine vor — hat zur Folge, dass dieser 
Dialog eher wortkarg als überschwenglich ist. Es verwundert 
daher nicht, dass Prantls Arbeitsweise gelegentlich als «Stein- 
Aushorchen» beschrieben wurde — ein Vergleich, der auch auf 
die zartfühlende Art und Weise anspielt, in der Prantl mit dem 
Material, dem Stein, hantiert.” 
Eine ähnliche künstlerische Sensibilität kennt man von Constan- 
tin Brancusi, wenn er die Bronze und den Marmor geduldig 
polierte, bis der Glanz der Oberfläche makellos war E.T. 
Karl Prantl. Steine 1964-1976, Ausst.-Kat. Erker Galerie, St.Gallen, 1976, S. 31. 
Symposium Urbanum ‘71 Nürnberg. Berichte, Fakten, Daten, Meinungen und Denk 
anstösse zum praktischen Gebrauch gesammelt, zusammengestellt und ergänzt von 
Wolfgane Horn und Wolfgang Loefftz. Nürnberg, 1972, 0.5. 
Trier, Eduard: Bildhauertheorien im 20. Jahrhmder Neuauseabe_ Berlin. 1992. 
5. 238. 
Badura-Triska, Eva: Religiöse Kunst zwischen konfessioneller Bindung und 
individueller Erfahrung, Gedanken zum Werk Karl Praniis, In: Kunst und Kirche 
H. 4—46 (1982/83), S. 148 
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