Volltext: Bestandeskatalog

Georges Rouault (1871-1958) 
Christ benissant (Christ imposant les mains), 1922-27 
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Aquatinta, mit Deckweiss überarbeitet 
61,5 X 46 cm 
65,5 X 50 cm 
Chapon/Rouault 133; Wofsy 168 
"SKK 83.07 
Das Blatt gehört zum Zyklus Miserere, der 1948 von der Societe 
d’edition l’&toile filante herausgegeben wurde. Der Auftragge- 
ber war Ambroise Vollard. Georges Rouault, der mehrere Werke 
ür Vollard illustrierte, hatte mit der Arbeit an der Serie bereits 
916 begonnen und sie 1929 beendet. Vollard beabsichtigte, zwei 
grosse Portfolios von jeweils 50 Drucken herauszugeben.‘ Einer 
der Bände sollte Miserere betitelt werden, der andere Guerre. 
Beide Zyklen basierten auf einem Text von Andre Suares, wur- 
ien aber wegen des enormen Umfangs nicht publiziert. 58 Blät- 
'er sind schliesslich gedruckt worden. Das vorliegende Blatt 
zehört zu den 40 Motiven, die Rouault für die endgültige Fas- 
sung ausschloss. Zwei Blätter hatte er zum Druck abgelehnt. 
Zouault hat die Anwendung der graphischen Techniken immer 
m Zusammenhang mit Suiten und Alben gesehen. Vollard war 
Zr ihn der idealste Auftraggeber, da dieser sich in besonderem 
Masse für das von Künstlern illustrierte Buch interessierte und 
n Rouault einen Wahlverwandten fand.* Miserere enthält Bild- 
folgen, die letztlich die Condition humaine veranschaulichen. 
«Das schwere Handwerk des Lebens» — «Le dur metier de 
vivre» — ist das Leitmotiv der gesamten Folge, die durch die 
Darstellung der Gestalt Christi als der grossen Hoffnung deı 
Menschheit skandiert wird. Die monumentale Folge, die 
Rouault intensiv beschäftigt hat und die er immer wieder über- 
arbeitete, hat bekenntnishaften Charakter.? Sie enthält Rouaults 
Glaubensbekenntnis, wonach das Elend der Menschheit nur 
durch die Gottesgestalt ertragbar wird. Die Blätter zu Miserere 
stehen im Zentrum seines graphischen (Euvres und haben Bezü- 
ge zu seiner Malerei. Diese Bezüge treten nicht allein im male- 
vischen Aspekt der mit Deckfarben gehöhten Aquatintablätter in 
Erscheinung, sondern auch im Thematischen. Das Schaffen 
Rouaults ist von den ersten Werken an, die er 1905 im Salon 
d’automne in Paris zeigte, bis zu seinem Tode das Resultat ei- 
zenster existentieller Erfahrung. Er stand nicht wie Matisse auf 
der glückvollen Seite des Lebens, sondern umkreiste ein Leben 
lang die Schattenseiten: «Ein Schrei in der Nacht! Ein ersticktes 
Schluchzen! Ein Lachen, das sich erwürgt»,“ so hat Georges 
Zouault seine Kunst definiert. In seiner Malerei wie in seinen 
graphischen Blättern umranden schwarze Konturen die Formen. 
Sie erinnern an Glasfenster der Kathedralen und verweisen uns 
wie selbstverständlich in den Bezirk des Heiligen. Die Aura des 
Heiligen wird durch die Christusgestalt konkret erfahren, und 
Rouault steigert sie ins Mystische. Während der Künstler an den 
Blättern zu Miserere arbeitete, hatte er das Malen nahezu aufge- 
zeben, so sehr nahm ihn das Thema in Anspruch. Erst gegen 
1929 hat Rouault wieder mit der Malerei begonnen. Und immer 
wieder sind es die gleichen Themen, die ihn bewegen — «Iko- 
nenmaler» hat Werner Haftmann ihn genannt.‘ E.B. 
Roger-Marx, Claude: L’ceuvre grave de Georges Rouault. In: Byblis, 1931. 
S. 93-100. 
Chapon, Francois: (Euvre grave de Rouault. Monte Carlo, 1978, S. 19. 
Ebd., S. 97. Chapon führt die verschiedenen Korrekturen und Änderungen auf. 
Wie Anm. 1, S. 85. 
Haftmann, Werner: Malerei im 20. Jahrhundert. München, 1957, S. 114.
	        

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