Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Wolf Linder politischer Wichtigkeit gemacht wird. Die Volksinitiative ist damit ein Instrument des «agenda setting», gelegentlich aüch gesellschaftlicher Frühwarnung; sie kann Probleme wenigstens thematisieren, die das Kon­ kordanzsystem ausfiltert oder nicht wahrnimmt. Sodann vermag hart­ näckige Opposition, selbst wenn ihre Initiativen eine nach der andern ver­ worfen werden wie diejenigen der Uberfremdungsgegner, institutionelle Politik nachhaltig zu beeinflussen: Die Konkordanzkräfte präsentieren ab­ geschwächte Gegenvorschläge und versuchen damit gleichzeitig, den oppositionellen Gruppen den Wind aus den Segeln zu nehmen.7 Freilich ist gegenwärtig viel Wind aus verschiedensten Richtungen zu spüren: Die plebiszitäre Öffnung des Systems hat das Aufkommen, die Mobilisierung und die Thematisierungsfähigkeit neuer sozialer Bewegun­ gen in der Schweiz früh und stärker als in andern europäischen Ländern ermöglicht.8 Die gleichzeitig zu beobachtende Destabilisierung des Systems der klassischen Milieuparteien, aber auch der Umstand, dass Volksinitiati­ ven auf kantonaler Ebene weit erfolgreicher sind9, lassen vermuten, dass die Wirkungen basisdemokratischer Anstösse künftig auch zunehmen könn­ ten oder dass ihr Wirkungspotential bisher zumindest nicht voll ausge­ schöpft wurde. b) Das obligatorische Verfassungsreferendum als Plebiszit für Behörden­ vorlagen Es leuchtet ein, dass Verfassungsvorlagen der Behörden den Stempel des allseitigen Kompromisses tragen. Die Verhandlungssituation unter den Konkordanzpartnern ist allerdings in einem Punkt verschieden, wenn es nicht um Gesetzes-, sondern Verfassungsvorlagen geht: Das Referendum findet in jedem Fall statt. Es fehlt darum in pluralistischen Verhandlungs­ mustern das gemeinsame Interesse an der Vermeidung des Plebiszits, und 7 Ferner kann auch die Volksinitiative als Verhandlungspfand gebraucht werden, indem Initianten aufgrund eines angebotenen Gegenvorschlags des Parlaments die Initiative zu­ rückziehen. Dazu: Bruno Hofer, Die Volksinitiative als Verhandlungspfand, in: Abstim­ mungen und Wahlen, Schweizerisches Jahrbuch für Politische Wissenschaft, Bd. 27, Bern 1987. 8 Martin Dahinden (Hrsg.), Neue soziale Bewegungen und ihre gesellschaftlichen Wirkun­ gen, Zürcher Hochschulforum, Bd. 10, Zürich 1987. 9 Christian Moser, Erfolge kantonaler Volksinitiativen nach formalen und inhaltlichen Ge­ sichtspunkten, in: Abstimmungen und Wahlen, Schweizerisches Jahrbuch für Politische Wissenschaft, Bd. 27, Bern 1987. 74
	        

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