Diskussionsbeitrag Die österreichische Sozialpartnerschaft: Kritik und Probleme Die Politik der österreichischen Sozialpartner ist rein makroökonomisch orientiert. Ihren gesamtwirtschaftlichen Zielen entsprechend war sie erfolg reich. Sie hat aber Verteilungs- und Allokationsfragen, bzw. Strukturpro bleme, grob vernachlässigt. Anton Pelinka nannte eine Reihe von Gründen für den zunehmenden Bedeutungsverlust der Sozialpartnerschaft; langfristig wird ihre «sustaina- bility» auch durch die Vernachlässigung dieser Probleme untergraben. 1. Es hat sich ein grosser geschützter Bereich mit gewaltigen Ineffizien- zen, die in überhöhten Preisen zum Ausdruck kommen, herausgebildet. Als Beispiel seien hier nur der Nahrungsmittelsektor und der Handel her ausgegriffen: Die österreichische Nahrungsmittelindustrie zahlt 7 % höhere Löhne als die bundesdeutsche; obwohl im Industriedurchschnitt in Osterreich die Löhne ein Viertel unter dem deutschen Niveau liegen. Davon werden aber die Gewinne nicht in Mitleidenschaft gezogen: Die Bruttogewinnquote ist nämlich auch um 30 % höher als in der deutschen Nahrungsmittelindu strie.6 Die Folge sind etwa 16% höhere Lebensmittelpreise als im EG- Durchschnitt und höhere Subventionen. Auch die Handelsspannen sind in Österreich deutlich höher als in der BRD; allein aus diesem Grund wäre im Rahmen einer Teilnahme am Bin nenmarkt mit Preisreduktionen von 9 % zu rechnen.7 2. Österreich zählt heute zu den Ländern mit den höchsten Lohnunter schieden in Europa. Die solidarische Lohnpolitik der Gewerkschaften beschränkt sich auf relativ einheitliche Anhebungssätze in den Lohnab schlüssen. Die Lohnunterschiede zwischen den Branchen und Sektoren sind aber in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen: Die mittlere Abwei chung der Branchenlöhne vom Industriedurchschnitt belief sich 1961 auf 6 Diese Daten beziehen sich auf die Industrie: Guger (1988). Claudia Pichl hat in einer noch in Arbeit befindlichen Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung über die Nahrungs mittelindustrie auch das Grossgewerbe einbezogen: Dann liegt der Nettoprodukrions- wert je Beschäftigten in der österreichi schen Nahrungsmittelwirtschaft auf dem deutschen Niveau und der Personalaufwand um 10% darunter; es wird aber weiterhin eine Brut togewinnquote ausgewiesen, die 25 % höher ist als in der Nahrungsmittelindustrie der BRD. 7 Guger-Pollan-Wüger (1989). 55