Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Peter Gerlich Eine dritte Option, die ein wenig diskutiert wird und einerseits der Logik der Sozialpartnerschaft entspräche, andererseits natürlich auch problema­ tisch ist, ist der Vorschlag, dass man neue Gruppierungen in ähnlicher Form zu organisieren versucht; so sind beispielsweise die Psychologen rela­ tiv erfolgreich dabei, eine Psychologenkammer zu fordern; und ich habe bei einem Vortrag vor kurzem etwas ironisch gemeint, man könnte ja auch andere Gruppierungen, die eigentlich nicht erfasst sind und die auch poli­ tische und wirtschaftspolitische Anliegen haben, kammermässig organisie­ ren; ich habe auch schon Finanzierungsvorschläge gemacht. Denn ein sehr wichtiges Element im Funktionieren der Kammern ist nicht die Zwangs­ mitgliedschaft an sich, sondern der Zwangsmitgliedschaftsbeitrag, der wie eine Steuer funktioniert. Beispielsweise könnte man . eine Pensionisten­ kammer einrichten mit einem Beitrag von 0,5 °/o der Pensionen, eine Kammer «Öffentlicher Verkehr» - als Nichtautobesitzer liegt mir das irgendwie nahe - mit 0,5% vom Fahrpreis. Wie wär's mit einer Haus- frauenkammer: 0,5% bei jedem Einkauf. Was ich da als Scherz gemeint habe, ist jetzt schon wieder ernst geworden, weil durchaus in Leitartikeln von ernst zu nehmenden Journalisten neue Kammern für bestimmte Grup­ pen gefordert werden. Die vierte Option, die ich sehe, ist die einer Deregulierung, die dazu füh­ ren würde, dass die Kammern z. B. über keine Zwangsmitgliedschaft mehr verfügen und dann einfach Vereine werden, die dem Service ihrer Mitglie­ der dienen, wie dies auch in andern Ländern durchaus üblich ist, und dann wahrscheinlich auch mehr verpflichtet wären oder verhindern könnten, dass es zu diesem Mitgliederexodus kommt. Natürlich ist das eine populistische Forderung, aber ich glaube, und das ist vielleicht ein kleiner Kritikpunkt an Anton Pelinka, dass diese populisti­ schen Forderungen eben nicht nur von jenen erhoben werden, die besser dran sind, sondern dass sie auch von den Deklassierten unterstützt werden, von den Bauern, die sich belastet fühlen, von den Arbeitslosen, die sich verlassen fühlen, von den arbeitslosen Lehrern oder sonstigen Akademi­ kern. Ich sehe eine gewisse Kraft in diesen Argumenten, die ja keineswegs nur von der FPÖ gebraucht werden; sondern komischerweise ist, wie manches nicht so ganz konsequent, auch der ÖAB, ein Teil der ÖVP, eingeschwenkt auf diesen Vorschlag, die Zwangsmitgliedschaft aufzuhe­ ben. Eine Entwicklung in diese Richtung ist also durchaus denkbar, die Politik hat da eine Eigengesetzlichkeit gewonnen, und. ich könnte aus andern Bereichen Beispiele dafür liefern, dass jetzt Dinge beschlossen 50
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.