Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Peter Gerlich Sozialpartnern gegenüber die Verfassung und die Grundrechte ernst zu nehmen. Elemente der Veränderung sind auch, wenn auch etwas ambiva­ lenter, die politischen Parteien, zumal die Konkurrenz, wie Anton Pelinka aüch erwähnt hat, immer stärker wird. Das gilt natürlich insbesondere für die Parteien, die sich nicht dem traditionellen Machtkartell verpflichtet fühlen. In dieser Situation gibt es eine wachsende Kritik an der Sozialpartner­ schaft. Das mag im Ausland vielleicht als nichts Besonderes erscheinen, aber es ist deshalb so bemerkenswert, weil das in Osterreich noch vor weni­ gen Jahren ganz unvorstellbar war. Die Sozialpartner waren sozusagen sakrosankt. Jetzt aber wird die Sozialpartnerschaft zunehmend und gera­ dezu «frech» in fast täglichen Meldungen und Kommentaren in den Zeitun­ gen kritisiert. Diese Kritik macht sich, wie richtig gesagt wurde, besonders an den Kammern fest, an den Kammern, die im wesentlichen Elemente der Sozialpartnerschaft sind, aber auch an jenen Kammern, die nicht unmittel­ bar in der Sozialpartnerschaft involviert sind, wie die der freien Berufe. Vor dieser Situation kann man sagen, dass natürlich von allem Anfang an ein gewisser Widerspruch zwischen den Werten der liberalen Demokratie und der Sozialpartnerschaft bestanden hat, dass aber von Anfang an auch Rechtfertigungsargumente vorgebracht wurden, warum eben dennoch So­ zialpartnerschaft zweckmässig und möglich ist. Die Frage aber ist, ob die Kammern die verschiedenen Funktionen, vor allem als Elemente der So­ zialpartnerschaft, noch voll erfüllen. Sicher kann man sie teilweise bejahen, aber wo das nicht der Fall ist, wird in der Öffentlichkeit erbarmungslos jede Fehlentwicklung gegeisselt. Gerade als ich diesen Beitrag vorbereitete, ist mir ein Artikel von Helmut Kramer1 in die Hand gefallen. Er geniesst in Österreich eine grosse moralische Autorität, und er spricht dort von einer notwendigen, grundlegenden Strukturreform in Österreich - unter dem Titel «Es ist auch in Österreich eine Perestroika notwendig.» Im einzelnen könnte man sagen, die Kammern haben vier Aufgaben. Und die Frage lautet: Wie gut erfüllen sie diese und wie wird ihre Arbeit in der Öffentlichkeit eingeschätzt? Eine natürliche Aufgabe ist die Vertretung der Mitgliederinteressen. Beim Monopol der Kammern ist das nicht so selbstverständlich, wie es zunächst klingt. Eine zweite Rechtfertigung für den Kammerstaat lautet, Sozialpartnerschaft diene dem Schutz der Interes­ sen der Öffentlichkeit, vor allem der Konsumenten gegen den Missbrauch 1 Direktor des Österr. Instituts für Wirtschaftsforschung in Wien (Anm. d. Hrsg.). 46
	        

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