Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Anton Pelinka listische und intern weitgehend unumstrittene Verbände, entscheiden im Gleichgewicht - Entscheidungen sind nur durch Einstimmigkeit vorstell­ bar. Durch dieses Konkordanzelement entsteht ein wichtiges Gegengewicht für die im Parlamentarismus angelegte Konkurrenzdemokratie. An die Stelle des Prinzips der Mehrheitsentscheidung tritt das Prinzip der Einstim­ migkeitsentscheidung. Der Begriff der Mehrheit ist in der Sozialpartner­ schaft überhaupt ohne jede Bedeutung - jede Gruppierung, jede Seite kann eine Entscheidung verhindern. Alle Gruppierungen, alle Seiten müssen an einer Entscheidung mitwirken, müssen dieser Entscheidung zustimmen. Zu dieser Einstimmigkeitsregel kommt, als weiteres wichtiges Merkmal, die Intimität des politischen Entscheidens. Anders als im Parlamentarismus finden alle Entscheidungsprozesse der Sozialpartnerschaft unter Aus­ schluss der Öffentlichkeit statt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Entscheidungsträger der grossen Verbände möglichst ohne Druck verhan­ deln können, dass sie - geschützt von der Öffentlichkeit - ein Maximum an Kompromissbereitschaft entwickeln können. Der Sozialparmerschaft geht es generell am besten, wenn möglichst niemand über sie spricht. Der Intimität der Sozialpartnerschaft wird auch dadurch gedient, dass sie im verfassungsfreien Raum stattfindet. Die Sozialpartnerschaft ist kein Pro­ dukt von Verfassung, Gesetzen oder Verordnungen. Sie ist das Ergebnis einer bewusst informell gestalteteten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber­ verbänden und Arbeitnehmerverbänden. Dadurch soll die Köntrolüerbar- keit sozialpartnerschaftlicher Vorgänge möglichst gering gehalten werden, soll die Autonomie der Sozialpartnerschaft maximiert werden. Die österreichische Sozialpartnerschaft kennt eine international beson­ ders auffallende, einmalige Einrichtung - die Paritätische Kommission von Lohn- und Preisfragen. Diese ist, seitdem die Regierungsvertreter 1966 auf ihr Stimmrecht verzichtet haben, von den politischen Entscheidungen der Bundesregierung, des Parlaments und der Parteien unabhängig. Die Verfas­ sungsorgane haben keine Möglichkeit, die Paritätische Kommission in irgendeiner Form zu beeinflussen. Getragen von den vier Grossverbänden (ÖGB, Österreichischer Arbeiterkammertag, Bundeskammer der Ge­ werblichen Wirtschaft, Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskam­ mern), entscheidet die Paritätische Kommission über Preiserhöhungen, genehmigt sie Lohnerhöhungen in Form von Kollektivverträgen und hilft bei der langfristigen Planung der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Erleichtert wird das Wirken der Paritätischen Kommission, die 1957 von Julius Raab 34
	        

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