Ulrich Klöti Brauchen Kleinstaaten Konkordanzmodelle? Ulrich Klöti Die Theorie Gesers Aufgrund einer Auswertung verschiedener soziologischer Theorieansätze kommt Hans Geser zum Schluss, dass Kleinstaaten im Vergleich mit grös seren Ländern eher Konkordanzstrukturen ausbilden. Da es sich bei dieser Aussage nicht um einen kausalen, sondern um einen funktionalen Zusam menhang handelt, müssen noch andere Bedingungen erfüllt sein, damit Kleinstaaten in der Tat Konkordanzmechanismen entwickeln. Sie müssen den damit erreichbaren Wirkungen in der Prioritätenordnung ihrer Ziele einen hohen Stellenwert einräumen. Wenn sie eine optimale Ausschöpfung der personellen Ressourcen, eine flexible Anpassung an eine dominante Umwelt, die Vermeidung von Konflikten und eine hohe politisch-admini- strative Stabilität anstreben, dann neigen Kleinstaaten zur Konkordanz. Die Folgerungen aus diesen empirisch-analytischen Aussagen können auch ins Normative gewendet werden. Dann erhält die Theorie auch Emp fehlungscharakter: Wenn Kleinstaaten nicht eine Verschleuderung perso neller Ressourcen, erhebliche Leistungsschwächen bezüglich der Verarbei tung von exogen induzierten Problemen, die innere Ordnung bedrohende Konflikte und damit gar Uberlebensrisiken in Kauf nehmen wollen, dann können sie auf ein inklusives Regierungssystem nicht verzichten. Nicht le bensmüde Kleinstaaten sind deshalb wohl beraten - so heisst das dann im handlungsanleitenden politischen Klartext -, sich auf Konkordanzstruktu ren zu verlassen. Jene Kleinstaaten, die noch nicht über ein Konkordanz modell verfügen, müssten es somit schleunigst einführen. Evidenz aus Schweizer Sicht Es ist das Ziel dieses Beitrages, die soziologische Theorie und die daraus gezogenen Schlüsse aus der Sicht der vergleichenden Politikwissenschaft und mit besonderem Blick auf die schweizerischen Verhältnisse zu disku tieren. Ein systematischer Beobachter schweizerischer Innenpolitik kann dabei den Befunden, die aus der Theorie abgeleitet sind, vieles abgewinnen. In der Tat ist nicht zu bestreiten, dass die Schweiz ein Kleinstaat ist, dass sie konkordanzmässige Strukturen herausgebildet hat, dass sie unter ökono mischer Verwendung der Ressourcen die Probleme relativ erfolgreich ver 122