Volltext: Politischer Wandel in konkordanzdemokratischen Systemen

Hans Geser System nur dadurch jenen Grad an 5to^£wre//erFlexibilität aufrechterhal­ ten kann, der für die Fähigkeit, sich 
rasch an unvorhersehbare Problem­ lagen anzupassen, die Voraussetzung bildet. Wenn es beispielsweise bei einem plötzlichen Einbruch wichtiger Exportmärkte nötig wird, die Opfer möglichst gerecht und konfliktfrei auf verschiedene Gruppen zu verteilen, ist es sinnvoll, alle Gruppen, die mitbetroffen sind, in die Beratungs- und Verhandlungsprozesse einzube- ziehen. Wenn «systemwidrige» wirtschaftspolitische Massnahmen erforderlich sind, um einer bestimmten Branche (z. B. durch Gewäh­ rung von Subventionen, Sonderkrediten, Steuererleichterungen etc.) aus ihrer aktuellen Krise zu helfen, haben die getroffenen politischen Ent­ scheidungen höhere Legitimität, wenn sie von Repräsentanten verschie­ denster Parteien und Interessengruppen mitgetragen werden (Katzen­ stein 1985). Allgemeiner formuliert: indem man möglichst vielen Parteien und anderen Gruppen gestattet, sich in politischen Gremien 
personell zu repräsentieren, gesteht man ihnen zwar noch nicht unbedingt einen faktischen Machtsta­ tus, aber immerhin einen 
minimalen formellen Mitgliedschaftsstatus zu, mit der Folge, dass sie über zentrale politische Vorgänge dauernd voll infor­ miert sind und für Kommunikationen aller Art (z. B. für Kooperationsan­ gebote, Kompromissvorschläge etc.) kontinuierlich erreichbar bleiben. Während in 
Mehrheitssystemen der Zugang zu Einfluss und Macht 
ex ante (z. B. durch den Wahlausgang) festgelegt und mittels rigider Ämterzu­ teilungen längerfristig festgefroren wird, kann die Machtzuteilung in 
Kon­ kordanzsystemen generell viel flexibler und reversibler gehandhabt werden, indem man sie 
expost den informellen Interaktionsprozessen 
innerhalb die­ ser Gremien überlässt. Zu den wichtigsten, in der bisherigen Literatur viel zu wenig beachteten Funktionen inklusiver Regierungssysteme gehört es also gerade nicht, irgendeine andere Machtverteilung als bei Mehrheitsregierungen rigide zu fixieren, sondern die konkrete Machtverteilung innerhalb eines gewissen Spielraums 
offen und 
immer wieder neu spezifizierbar zu erhalten. Dieser Zustand wird innerhalb der 
Organisationssoziologie häufig als 
«organisches Management» bezeichnet (vgl. Burns/Stalker 1961). Wie man aus den zahl­ reichen organisationssoziologischen Untersuchungen zu diesem Phäno­ men lernen kann, sind auch durchaus 
negative Begleiterscheinungen damit verbunden, die auf der 
Ebene der Politik leider noch viel schwerer als z. B. auf der Ebene von Betrieben ins Gewicht zu fallen pflegen. 110
	        

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