Volltext: Wenn ich an die Schweiz denke

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Einen Teil meiner Berufsausbildung absolvierte ich in der 
Eidgenossenschaft und konnte zudem für geraume Zeit 
dort arbeiten. Ich habe auch schon Ferien in der Schweiz 
gemacht. Meine Freundin wohnt im benachbarten Wer- 
denberg, und ich verbringe in dieser Region viel Freizeit. 
Durch all diese Beziehungen kenne ich die schweizerische Mentalität 
sehr gut und habe erfahren, welche Unterschiede zwischen Schweizern 
und Liechtensteinern bestehen können. Die Schweizer haben ein ausge- 
prägtes Nationalbewusstsein. Um als Liechtensteiner anerkannt zu 
werden, musste ich mich gelegentlich schon durchsetzen. In Bern bin 
ich einmal mit einer Musikgruppe aufgetreten und wurde von den Ein- 
heimischen prompt auf Hochdeutsch angesprochen. 
Heimat bedeutet mir die Schweiz nicht. Im fernen Ausland besteht 
jedoch selbst bei einem «gestandenen» Liechtensteiner die Gefahr, sich 
der Einfachheit halber mit der Schweiz zu identifizieren. Statt einem 
Franzosen oder Engländer umfassend zu erklären, wo Liechtenstein 
Liegt, flüchte ich zum Beispiel oft in den Satz: «We use the Swiss Franc.» 
In der Schweiz hingegen fühle ich mich als Ausländer. Vor allem bringe 
ich bei negativen Äusserungen von Schweizer Kollegen über Ausländer 
und Asylanten immer klar zum Ausdruck, dass ich ebenso ein Nicht- 
Schweizer bin. 
Den typischen Schweizer gibt es nicht. In Helvetien sind das «Bünz- 
litum» und das vielfach kühle sowie überkorrekte Benehmen auffallend. 
Hier im Fürstentum kann ich einen Beamten oder Schalterangestellten 
einer Bank ungeniert duzen, unabhängig davon, ob ich ihn kenne oder 
nicht. Wenn ich mir dasselbe im benachbarten Buchs leiste, werde ich 
meistens sofort und unangenehm korrigiert. Es herrscht eben nicht der- 
selbe lockere Ton wie bei uns. 
An der Schweiz etwas ändern zu wollen, steht mir als Ausländer nicht 
zu. Das grösste Problem ist im Augenblick die europäische Integration. 
Dies gilt selbstverständlich auch für Liechtenstein. 
Der bedeutendste Schweizer ist Wilhelm Tell, die bedeutendste 
Schweizerin Helvetia auf der Rückseite des Einfränklers. 
Max Gross, Triesen, *1967, Liechtensteiner, kaufmännischer Angestellter 
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