Volltext: Wenn ich an die Schweiz denke

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Spontan fällt mir mein erstes prägendes Erlebnis in der 
Schweiz ein. Ich bin in Deutschland aufgewachsen. Wäh- 
rend des Krieges wussten wir, dass in der Schweiz Friede 
herrscht, und nach dem Krieg träumten wir von 
Schweizer Schokolade und von Schweizer Kaffee. Unge- 
fähr 1957 machten wir mit einem alten Bus einen Ausflug in die 
Schweiz. Zu unserer grossen Verwunderung sahen wir Soldaten. Sie 
marschierten auf der Strasse, es waren Kanonen aufgestellt. Das war 
eine grosse Enttäuschung für mich. Wir hatten doch gedacht, dass die 
Schweizer nicht einmal wüssten, was ein Gewehr ist. 
Später habe ich in Chur Theologie studiert. Wenn ich an Ostern nach 
Hause fuhr, war es noch Winter, kehrte ich dann zurück, so blühten 
meistens schon die Kastanienbäume. Seither sind mir Chur und das 
Rheintal lieb. Meine erste Stelle hatte ich in Rüthi. Von dort ging ich 
nach Schwyz und kam dann als Pfarrer nach Triesen. Wenn der Prie- 
stermangel nicht wäre, hätte ich als Ausländer wohl nie ein Pfarrstelle 
bekommen und mein Leben lang «Vikärle» bleiben müssen. 
Ich habe es immer als positiv empfunden, dass die Menschen in der 
Schweiz etwas grosszügiger denken, als da, wo ich herkomme. Was mir 
nicht passt, ist der «Kantönligeist». Den Begriff «Füdlibürger» lernte ich 
auch in der Schweiz kennen, und da ist schon etwas dran. Manche 
meinten, es sei für mich eine Gabe Gottes, dass ich als Schwabe nach 
Schwyz gekommen sei. Natürlich hat es mir sehr gut gefallen dort, aber 
man lebt ja anderswo auch. Die Schweizer fühlen sich wie in einer 
glücklichen Villa mitten in der Welt. Sie werden allerdings umdenken 
müssen. Die EG wird ihnen das erleichtern oder sie dazu zwingen. 
Zu den typischen Eigenschaften der Schweizer gehören ihre Reser- 
viertheit Ausländern gegenüber. Sie sind und fühlen sich als Herren- 
volk. Sie sind aber auch bescheiden und hängen ihr Geld nicht wie eine 
Fahne zum Fenster hinaus — ganz im Gegensatz zu meinen Landsleuten. 
Der bedeutendste Schweizer ist der Franken. 
Wir müssen ja das Schweizer Fernsehprogramm bezahlen, obwohl 
mir FS 1 oder ARD weit besser zusagen. DRS ist mir zu einseitig, zu 
Kberal, zu links. Ich würde meine Gebühr lieber für ORF und ARD aus- 
geben. Zur lokalen Information lese ich eine Liechtensteiner Zeitung. 
Georg Schuster, Triesen, *1928, Deutscher, röm.-kath. Pfarrer
	        

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