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Früher gab es hier keine Arbeit, wir mussten in der
Schweiz unser Brot verdienen. Dafür müssen wir dankbar
sein. Ich habe in Frauenfeld eine Lehre als Gipser gemacht.
Das war 1928, damals hätte ich hier am Berg gar keine
Lehre machen können. Dann habe ich in Zürich gearbei-
tet, zusammen mit anderen Bergern, bei den Gebrüdern Fink. Dort
arbeiteten damals dreissig Gipser, dreissig! Der «Gschinder-Ospelt»
war noch dort und der «Bach-Bueb», und ein Franz-Sepp aus Balzers.
Die älteren, die schon dort gearbeitet haben, haben uns jüngere nach-
kommen lassen.
Also, ich könnte mich nicht erinnern, dass mich etwas gefreut hätte
da drüben. Man wurde gehetzt bei der Arbeit. Das waren harte Zeiten
und Erfahrungen. Während der Lehrzeit konnte ich nie nach Hause
fahren, der Verdienst hätte nicht gereicht für die Heimfahrt. Ich erhielt
60 Rappen Stundenlohn und musste pro Tag Fr. 4.50 Kostgeld
bezahlen. Ich bin am 28. Dezember 1928 gegangen und ein Jahr später,
vor Weihnachten, bin ich wieder zurückgekommen von Frauenfeld.
Nach der Lehrzeit habe ich mein Geschirr zusammengepackt, dem Mei-
ster aber nicht gesagt, dass ich nicht mehr komme. Er war auch ein
Berger, «z’Wahlvogtas Andreias». Während des Krieges arbeitete ich
mit ein paar anderen Bergern in einer St. Galler Maschinenfabrik. Die
Schweizer haben uns bei der Arbeit übertrumpft, weil sie mehr zu essen
hatten. Wir hatten um halb zehn, zehn Uhr bereits Hunger, bekamen
aber nur, was auf der Lebensmittelkarte war. Die anderen hatten zwar
auch Lebensmittelkarten, aber die waren in der Gegend wohnhaft,
hatten entweder noch etwas angepflanzt oder stammten aus einer Bau-
ernfämilie. Dann hat die Firma gesagt, wir leisten zuwenig, wir
bekämen nicht mehr den gleichen Lohn. Wir waren den Schweizern
gleichgestellt, mussten aber eine Arbeitsbewilligung beantragen, genau
so wie unsere Ausländer das hier auch müssen bei der Fremdenpolizei.
Schon damals hiess es: Wenn der Schweizer keine Arbeit hat, kann man
keinen Liechtensteiner einstellen. Heute sind wir nicht mehr so
abhängig von der Arbeit in der Schweiz.
Mir gefällt an den Schweizern, dass ich ihre Sprache verstehe. Ja, und
dann die Politik, die die Schweizer betreiben, das ist schon eine andere
als bei uns. Besonders gefällt mir, dass politische Initiativen egriffen
werden, was bei uns nur selten vorkommt. Die Umweltbelastung sehe
ich als grosses Problem an; das Wasser, der Wald, alles ist in Gefahr.
sb
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