(27)
>
A
Denke ich an die Schweiz, so fällt mir als erstes meine
Ausbildung ein. Sie muss ein Erlebnis gewesen sein, das
mich sehr geprägt hat. Ich war vier Jahre am Seminar in
Rickenbach bei Schwyz, später ein Jahr als Lehrer und
noch später für zwölf Jahre als Organist in der Schweiz.
Ferien habe ich nur einmal in der Schweiz verbracht. Das war während
meiner Studienzeit, als mich ein Studienkollege nach Laax einlud. Laax
war damals noch ein verträumtes Bauerndörflein, wo man wirklich
Ferien machen konnte.
Ich habe in der Schweiz viele positive Erfahrungen gemacht. Welches
die positivste war, weiss ich nicht, wahrscheinlich die, dass man mir in
der Schweiz die Nierensteine entfernt hat. Negative Erfahrungen hatte
ich eigentlich wenige, es sei denn, dass ich mich als Ausländer
manchmal sehr in der Defensive befunden habe, vor allem in der Inner-
schweiz.
Die Schweiz bedeutet mir sehr viel als Nachbar, und ich bin sehr
gerne in der Schweiz. Ich finde sie landschaftlich sehr schön, und ich
bereise sie gerne. Kulturell schaue ich eigentlich mehr in die Schweiz als
nach Österreich oder Deutschland, weil sie mir näher liegt.
An der Schweiz bedrückt mich dasselbe, was mich an unserem Lande
auch bedrückt, nämlich das «Gelddenken», dass man heute im Lande
Pestalozzis die ganzen Ideale, die man vielleicht einst hatte, nicht mehr
so pflegt wie auch schon. Die Schweiz ist zu einem Wirtschaftsland, zu
einem Bankenplatz geworden, aber in dieser Beziehung können wir
Liechtensteiner den Schweizern keinen Vorwurf machen.
Das grösste Problem sind die Menschenrechte in Beziehung auf die
Asylanten, aber auch in Beziehung auf die eigenen Leute, zum Beispiel
auf die Dienstverweigerer. Dass die Schweiz dieses Problem bis heute
nicht zu lösen vermochte, sehe ich als Makel.
Sicher hat es verschiedene grosse und bedeutende Männer gegeben,
ich möchte hier keinem zu nahe treten oder einen als unbedeutend
abtun, aber für mich hatte Heinrich Pestalozzi immer eine ganz beson-
dere Stellung. Andere, wie Angelika Kauffmann, Maria Stader usw.,
haben eine sehr grosse Bedeutung kultureller Art, aber wenn man eine
Bedeutung sucht, die tiefer geht, dann denke ich an Pestalozzi.
—_..
Harald Wanger, Schaan, *1933, Liechtensteiner, Archivaı