Volltext: Wenn ich an die Schweiz denke

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Ich habe sehr viele Freunde in der Schweiz. Als ich die 
Matura machte, stellte sich die Frage, wo ich studieren 
sollte. Es gab einige Möglichkeiten: Zürich, St. Gallen, 
Innsbruck und eventuell Fribourg. Da rund 70 Prozent 
des Liechtensteinischen Rechts österreichischer Prove- 
nienz sind, entschied ich mich für Innsbruck und Wien. Ich stehe aber 
weiterhin in engem Kontakt mit Kollegen, die in der Schweiz studieren 
und diskutiere auch häufig mit ihnen. Vor zwei Jahren habe ich mein 
Studium für ein Jahr unterbrochen und schrieb für einen Liechtensteiner 
Anwalt eine Arbeit, bei der ich in Kontakt mit einem Professor der 
Hochschule St. Gallen kam. Diese Arbeit ist heute die Grundlage für 
meine Dissertation, die ich in St. Gallen schreibe. 
Mit der Schweiz verbinde ich politische Beständigkeit und Sicher- 
heit. Sie wurde in den letzten Jahrzehnten weder von Krisen noch 
Kriegen heimgesucht. Für die Wirtschaft war das sehr entscheidend, 
ebenso wie der Neutralitäts-Status. Zur Zeit sind aber Diskussionen im 
Gange, die die Neutralität im Rahmen der europäischen Integrationsbe- 
strebungen zu relativieren suchen. Sicher wird es auch in anderen 
Fragen Druck geben. Konkret denke ich an den Bankensektor, eine tra- 
gende Säule der schweizerischen Volkswirtschaft. Es entsteht ein Span- 
nungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach internationaler Solidarität 
und dem Festhalten an schweizerischen exklusiven Standortvorteilen. 
Wenn ich an der Schweiz etwas ändern könnte, dürfte es keine Tabu- 
Themen mehr geben; man müsste viel ehrlicher reden und diskutieren, 
eine klare Stellung beziehen und dazu stehen. Die politische Landschaft 
war in letzter Zeit durch Affären geprägt, ich denke dabei an die Kopp- 
Affäre und den Fichenskandal; es zeigte sich, dass nicht offen damit 
umgegangen wird. Die Frage, wie man zu einer offeneren Politik 
kommt, ist auch ein zentrales Thema der jüngsten kritischen Literatur 
über die Schweiz, etwa in Zieglers Buch «Die Schweiz wäscht weisser». 
Mit der Schweiz habe ich in erster Linie positive Assoziationen: 
schön, klein, stark, sauber usw. Diese Eigenschaften des Landes über- 
tragen sich auch auf die Menschen, wobei solche Pauschalurteile immer 
nur bedingt zulässig sind. 
mag. iur. Peter Prast, Vaduz, *1964, Liechtensteiner, Jurist 
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