Volltext: Wenn ich an die Schweiz denke

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Sicher ist es etwas anderes, an die Schweiz zu denken, als 
an Österreich. Zur Schweiz haben wir keine Grenze, es 
ist, wie wenn der Nachbar eine offene Türe hat, durch die 
man gerne eintritt. 
Ich habe vor zwanzig Jahren in Wil als Coiffeuse ge- 
arbeitet. Damals habe ich die freundnachbarlichen Beziehungen nicht so 
positiv erlebt. Obwohl Wil nur 100 km von hier entfernt liegt, wusste 
man von Liechtenstein nicht viel, und die Schweizer Kolleginnen haben 
mich anfänglich als «Österreicherin» boykottiert. Das hat sich später 
aber gelegt, und ich habe aus jener Zeit eine gute Freundin. Meine posi- 
tivste Erfahrung mit der Schweiz machte ich, als ich für ein Jahr in Ame- 
rika war. Es war amüsant, festzustellen, dass beim Konsultat auch ein 
Schublädchen «Liechtenstein» geführt wurde. Ich wohnte im «Swiss 
Town House», das dem Konsulat gehörte und für Schweizer (und 
Liechtensteiner) Mädchen offenstand. Wir standen auf dem Schild tat- 
sächlich in Klammer dabei. Dort war ich wieder die Ausländerin, die 
Exotin, zumindest anfänglich. Ich habe mich dann um Kontakt bemüht 
und wurde bald akzeptiert. 
Früher war die Schweiz für mich interessant, weil wir gerne hin und 
wieder ein Tanzlokal besucht haben. Heute beobachte ich als politisch 
aktive Frau eher das politische Geschehen, vor allem die Frauenpolitik. 
Ich schätze zum Beispiel Monika Stocker, Lilly Nabholz, Monika 
Weber oder Judith Stamm. Ich besuche Seminare für Frauen und halte 
Kontakte zu Politikerinnen in der Schweiz. 
Die Schweiz ist durch den Zollvertrag ein wichtiger Nachbar, den 
wir sicher brauchen. Alleine stünden wir zwar nicht auf schwachen, 
aber auf sehr kleinen Füssen. Die Schweiz ist so etwas wie der grosse 
Bruder, an den man sich anlehnen kann. Mir gefällt die gerade, offene, 
ehrliche und zuverlässige Art der Schweizer. Hingegen stört mich, dass 
sie uns Liechtensteiner manchmal etwas herablassend und abwertend 
behandeln. Auch die demokratische Staatsform finde ich sehr gut, viel- 
leicht sogar eher zu demokratisch. Das Militär ist notwendig, und es 
hätte mich erstaunt, wenn die Abstimmung über die Abschaffung ange- 
nommen worden wäre. 
Helga Marxer, Mauren, *1947, Liechtensteinerin, Hausfrau 
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