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Wenn ich das Wort Schweiz höre, so kommt mir als erstes
das Geld in den Sinn. Die Schweiz ist berüchtigt dafür,
dass dort aus der ganzen Welt Mafiageld deponiert wird.
Die Bank fragt nicht danach, wieviel Blut da dran ist.
Ich bin knapp fünfzehnjährig in die Schweiz gekommen,
nach Rorschach, wo mein Vater ein Haus gekauft hatte. Wir mussten in
den dreissiger Jahren sehr schmal durch, weil wir keine Arbeitsbewilli-
gung bekamen. Wir pflanzten Gemüse und verkauften es, das war
erlaubt. Als es gegen 1938 wieder aufwärts ging, habe ich in einer
Maschinenfabrik Arbeit bekommen. Ich habe bei der Anstellung erwähnt,
dass ich keine Arbeitsbewilligung hätte. Die Betriebsleitung sagte aber,
darum müsste ich mich nicht kümmern, das würden sie regeln. Nach
knapp einem Jahr musste ich zur Polizei, und da hiess es, ich hätte
schwarz gearbeitet. Ich hatte die Schweiz innerhalb von zehn Tagen zu
verlassen. Ich war noch minderjährig, hatte meine Eltern in der Schweiz
und habe für fünf Jahre Einreiseverbot bekommen! Diese Erinnerung ist
mir heute, mit 74 Jahren, noch immer gegenwärtig.
Trotzdem bedeutet mir die Schweiz eigentlich sehr viel. Der bestän-
dige Schweizerfranken ist auch für uns bedeutungsvoll. Die Schweiz ist
ein Rechtsstaat, sauber und solide. Die Menschen sind fleissig und lei-
sten genaue Arbeit. Wenn man mit einem «gewöhnlichen» Schweizer
spricht, so ist er freundlich. Nur wenn man in ein Restaurant geht, so ist
die Bedienung zum grossen Teil «hundsmiserabel». Wenn man heute
gutbürgerlich essen will, muss man nach Österreich gehen, weil dort
die Bedienung und das Essen mit Abstand besser sind als in der Schweiz.
Das grosse Problem der Schweiz ist die Frage, wie sie die EG ver-
kraften wird. Ich habe mich immer mit Politik und Wirtschaft befasst.
Vor dem Ersten Weltkrieg waren die Schweizer arm, wie die Liechten-
steiner. Im Ersten und vor allem im Zweiten Weltkrieg haben sie für
Deutschland gearbeitet und ein Riesengeld gemacht. Dazu kam das
Geld, welches in die Schweiz gebracht wurde und dessen Besitzer zum
Teil umgebracht worden sind. Die Schweiz wurde ungeheuer reich
durch die beiden Weltkriege. Das konnte sie ausnützen, um sich in der
Welt eine gute Position zu schaffen. Jetzt, wo die EG kommt, muss sie
vom hohen Ross herunter, und es werden vielen die Augen aufgehen.
In der Politik war Bundesrat Kurt Furgler während vieler Jahre mit
Abstand die Nummer eins. Er hatte Format, konnte reden und seine
Sache vorbringen. Für mich war er der bedeutendste Schweizer.
TR