Volltext: Wenn ich an die Schweiz denke

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Die Schweiz ist ein wohlhabendes Land. Mich beein- 
druckt, dass wir trotz vier Kulturen und vier Sprachen 
über Jahrhunderte konfessionellen und sprachlichen 
Frieden haben und eine politische Einheit bilden, eine gute 
Gemeinschaft, bei allen Fehlern und Mängeln. 
{ch habe vierzig Jahre meines Lebens in der Schweiz verbracht, bin 
dort aufgewachsen. Im allgemeinen wurde ich sehr positiv geprägt. 
Damals war man noch weniger kritisch, man war einverstanden mit der 
politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Situation. Ich finde es sehr 
schön, dass man in diesem kleinen Land in kurzer Zeit alles haben kann. 
Berge, Flachland, Seen. Besonders spricht mich die Bergwelt an. Heute 
noch verbringe ich Ferien in den Bergen, in Vals. Dort leben meine 
Geschwister mit ihren Familien. Ich bin eng mit meinem Heimatdorf 
verbunden, obwohl ich seit 21 Jahren in Liechtenstein lebe. 
Ich staune immer wieder über die Demokratie, auch wenn man mit- 
unter das Gefühl hat, dass sie auf die Spitze getrieben wird. Dass der 
einzelne Bürger und die Bürgerin mitbestimmen können, das ist ein- 
malig! Man gibt den Leuten soviel Freiheit, soviele demokratische 
Möglichkeiten, dass sie von vielen gar nicht mehr geschätzt und ausge- 
schöpft werden. Stimmbeteiligungen von 20 und 30 Prozent sind sehr 
penibel. Auch bei den Kirchgemeinde-Versammlungen bestimmt ein 
relativ kleiner Teil für die ganze Gemeinschaft. 
Wenn ich etwas ändern könnte, würde ich höhere staatliche Mittel 
für Entwicklungsländer bereitstellen. Immerhin ist die Schweiz eines 
der reichsten, wenn nicht däs-reichste Land der Welt. Europäisch 
gesehen rangiert der Anteil des Bruttosozialprodukts, der für die Ent- 
wicklungshilfe ausgegeben wird, ziemlich an der unteren Grenze. Da 
sollte der Staat mehr leisten, nachdem die Schweiz erwiesenermassen 
aus diesen Ländern mehr ausschöpft, als sie zurückgibt. 
Nach der Fichen-Affäre und der aufgedeckten Geheim-Armee hat 
man nicht mehr soviel Vertrauen in die Behörden, man ist unsicher, die 
Liebe und Freude der Heimat gegenüber sind beeinträchtigt. Ich würde 
mir wünschen und verlangen, dass man wieder eine Atmosphäre des 
Vertrauens schafft, denn Vertrauen ist die Grundlage jeder Gemein- 
schaft. Politisch und wirtschaftlich gesehen ist auch die Frage wichtig, 
wie die Schweiz ihren Weg im europäischen Einigungsprozess findet: 
einerseits die Eigenheit bewahren, andererseits die Eingliederung in die 
grosse Gemeinschaft suchen. 
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