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Ich wurde während des ersten Weltkrieges geboren. Im
Jahre 1924 wurde der Zollvertrag abgeschlossen, und wir
bekamen mit dem Schweizer Franken zu unserem grossen
Glück eine stabile Währung. Den Zweiten Weltkrieg
haben wir zusammen mit der Schweiz erlebt. Wir über-
nahmen das Rationierungs-System und erhielten dieselben Mahlzeiten-
Coupons. Auch das war ein grosses Glück, es bewahrte uns vor dem
Hunger.
Ich habe mein Studium in Zug gemacht. Es dauerte bis zur Handels-
matura vier Jahre, im fünften Jahr absolvierte ich die pädagogische Aus-
bildung. Die Professoren waren zum Teil vorbildlich, auch mit den Stu-
dienkameraden hatte ich all die Jahre ein schönes Verhältnis.
Heute beschränken sich meine persönlichen Beziehungen auf die
unmittelbare Region. Als Liechtensteiner empfinde ich die Schweiz als
angenehmes Nachbarland. Beim Staatsbesuch des Fürsten Hans-Adam
war zu sehen, dass auch die Schweiz uns schätzt und anerkennt. Ich
bewundere, dass sie sich dank ihrer klugen Politik seit Napoleon I. aus
allen europäischen Kriegshändeln heraushalten konnte. Im Innern ist
der Arbeitsfriede gewährleistet, was dem Staat eine bedeutende Stabi-
lität verleiht, von der auch Liechtenstein profitiert.
Jedes Land muss selbst entscheiden, welche Reformen ihm am nütz-
lichsten sind. Allerdings kann ich nicht ganz verstehen, dass in der
Schweiz junge Menschen, die keinen Militärdienst leisten möchten,
zum Gefängnis verurteilt, obwohl sie bereit wären, im sozialen Dienst
tätig zu sein.
Von der viersprachigen Schweiz kenne ich eigentlich nur den
Deutschschweizer ein wenig. Er ist mit den Alemannen zu vergleichen
und ist arbeitsam, staatstreu und manchmal engstirnig.
Heinrich Pestalozzi war der bedeutendste Schweizer. Mit seinen
Ideen hat er ganz neue Wege in der Erziehung aufgezeigt.
ugo Gassner, Schaan, *1917, Liechtensteiner, Lehrer im Ruhestand
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