Volltext: Wenn ich an die Schweiz denke

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Wenn ich das Wort Schweiz höre, so habe ich zwiespältige 
Gefühle. Aus meiner Jugend- und Studentenzeit habe ich 
sehr schöne, persönliche Erinnerungen und Beziehungen 
und habe mir damals auch ein etwas idealistisches Bild 
von der Schweiz gemacht. Jetzt erlebe ich, dass dieses 
Idealbild Schatten bekommen hat. Es ist mir deutlich geworden, dass 
der Materialismus in der Schweiz besonders massiv ist. 
Meine frühesten persönlichen Erfahrungen machte ich von 1952 bis 
1954, als ich in Zürich studiert und die Schweiz sehr genossen habe. Für 
mich war es ein Paradies in der Nachkriegszeit. Ich habe sehr viele 
Schweizer und Schweizerinnen kennen, schätzen und Lieben gelernt, 
vorwiegend Menschen mit einem weiten Horizont. Heute stört mich 
zunehmend die Dialektbesessenheit des Schweizers, weil ich gesehen 
habe, dass die Mühe mit dem Hochdeutschen in eine kulturelle Enge 
führen kann. Diese Enge ist mir erst aufgefallen, seit ich in Liechtenstein 
und damit in der Nähe der Schweiz bin. Für manchen Schweizer ist es 
nicht einfach, sich eine Welt vorzustellen, die ausserhalb der Grenzen 
stattfindet. Und das Gefühl der Sicherheit auf Grund einer stabilen 
wirtschaftlichen Basis scheint so ausgeprägt zu sein, dass es kaum in 
Frage gestellt wird. 
Ich hatte als Schüler den Krieg bewusst erlebt. Für mich und für 
unsere Generation war es unvorstellbar, dass es jemals wieder Militär 
und Soldaten geben könnte. Als ich dann nach Zürich kam und gesehen 
habe, wie die Zürcher Knaben zum Knabenschiessen ausgerückt sind, 
hatte ich damit grosse Mühe. Auch heute noch bereitet mir das Militär 
Bauchschmerzen, und dass Militärdienstverweigerer immer noch kri- 
minalisiert werden, ist mir völlig unverständlich. Da müsste dringendst 
ein Alternativdienst geschaffen werden. Auch die Verflechtungen zwi- 
schen Militär und Wirtschaft sollten einmal kritisch untersucht werden. 
Aus kirchlicher Sicht muss ich einen weiteren Punkt erwähnen: Das 
kirchliche Stimmrecht ist an die Schweizer Staatsbürgerschaft geknüpft. 
Das widerspricht dem Evangelium, weil eine christliche Gemeinde 
etwas anderes ist, als eine Gemeinschaft von Menschen, die einer 
bestimmten Nationalität angehören. Und schliesslich würde ich mir 
wünschen, dass wir von diesem materiellen Denken wegkommen, von 
diesem praktischen Materialismus! Natürlich kann das nicht über 
Gesetze gehen, sondern nur über eine Änderung des Bewusstseins. Es 
ist sicher kein Zufall, dass die psychischen Krankheiten und die Auf- 
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