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Während fünf Jahren habe ich in Altdorf und Rickenbach
das Lehrerseminar besucht. Als interner Schüler wohnte
und lebte ich mit Schweizer Kollegen zusammen und
lernte Menschen aus verschiedenen Regionen kennen.
Später machte ich eine Zusatzausbildung als Hilfsschul-
lehrer in der Ostschweiz. Ich fühlte mich immer gut aufgenommen und
wurde immer wohlwollend behandelt. Verwandtschaftliche Bezie-
hungen zur Schweiz habe ich durch meine Frau; sie ist Schweizerin.
Durch die persönlichen Kontakte kenne ich die Situation des Landes
besser und bringe mehr Verständnis auf für die verschiedenen Pro-
bleme, die Achtung und Wertschätzung wird grösser. Man versucht,
sich von Cliches zu lösen und selbst ein Urteil zu bilden.
Die Schweiz hat für mich eine sehr grosse Bedeutung — persönlich
und von Liechtenstein aus betrachtet. Sie hat unsere wirtschaftliche Ent-
wicklung sehr bedeutend mitgeprägt. Viele Schweizer bezeichnen uns
als Kanton. Das hören wir natürlich nicht gerne, aber man muss die
Vorteile ganz klar sehen, die wir durch den Zollvertrag erhalten haben.
Auch im Schulwesen profitieren wir. Bei uns gibt es nur Schulen bis
zum Gymnasium, aber keine Berufsschulen und keine Hochschulen.
Vielfach wird die ganze Ausbildung in der Schweiz absolviert. Und
wenn man an das Sozialwesen denkt, an die Zusammenarbeit mit
Schweizer Spitälern, so wird die Bedeutung ebenso klar. Die Schweiz
bietet uns gegen Kostenbeiträge eine medizinische Infrastruktur, die wir
uns im Alleingang nie leisten könnten.
Mich beeindruckt die Schweizer Demokratie das föderalistische
System, in dem jeder Kanton seine Hoheitsrechte besitzt. Im weiteren
gefällt mir, dass die Schweiz jahrhundertelang keinen Krieg mehr
geführt hat. Auch die vier Sprachen sind faszinierend. Ich glaube, der
Tessiner fühlt sich genauso als Schweizer wie der Welsche oder der
Rätoromane. Es ist eigentlich erstaunlich, dass diese Vielfalt nicht aus-
einanderbricht. Ein Grund ist sicher das langsame Zusammenwachsen
der verschiedenen Kantone, die nach und nach dem Gesamtgefüge ein-
gegliedert wurden.
An der Schweiz muss im wesentlichen nichts geändert werden. Eine
zentralere Führung des Schulwesens wäre allerdings zu überlegen. Die
Kantonshoheit kann zu Schwierigkeiten führen, wie man es in der Frage
des gesamtschweizerischen Schulanfangs erlebt hat. Ein weiterer Punkt
ist das Militär. Wenn man das Geschehen auf unserem Kontinent in den
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