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Die Schweiz ist eine kleine Ausgabe des Vereinten
Europa. Es ist erstaunlich, dass soviele verschiedene Cha-
raktere zusammenleben können.
Ich habe die Handelsschule in Bern besucht. Bern ist eine
wunderbare Stadt, viele Blumen, nette Leute. Man spürt
nicht diese Hektik wie beispielsweise in Zürich. Mein Praktikum
machte ich ein Jahr lang in Fribourg als Ausläufer bei einem Konfek-
tionshaus. Da ich nicht viel Geld hatte, richtete ich meine Tour so ein,
dass ich gegen Mittag zu einem behäbigeren Bauernhof kam, und mei-
stens war die Verpflegung sehr gut.
Die Schweiz ist heute wie unser grosser Bruder. Man hat aber nicht
den Eindruck, dass sie uns deswegen bevormunden möchte. Sie ist sehr
vorsichtig und missbraucht die Situation nicht.
Es ist überall sauber und gepflegt in der Schweiz. Ab und zu bin ich
mit einem Kollegen im Tessin. Dort fällt mir allerdings negativ auf, dass
man mit der Umwelt nicht gerade sorgfältig umgeht. Dreck und
Abwässer werden an manchen Orten ziemlich ungehemmt in den Fluss
und in die Bäche geleitet. Dabei gibt es soviele Fremde dort, die sehr viel
Geld haben. Ich denke oft, dass man sie auffordern könnte, Geld für den
Bau der Kanalisation locker zu machen.
Die Schweiz wird in der nächsten Zeit vieles ändern müssen, wenn
sie sich der EG annähert. Es gibt heute von Kanton zu Kanton zuviele
Unterschiede in der Gesetzgebung. Oft meint man, wenn man über die
Kantonsgrenze geht, man sei in einem anderen Staat. Auch die Frage
Neutralität und EG wird der Schweiz noch Sorge machen.
Der Schweizer ist geschäftlich korrekt, wenn man mit ihm zu tun hat,
braucht man keine Angst zu haben, dass er einen betrügt. Er ist sehr
staatsbewusst und nimmt das Militär sehr wichtig. Wenn einer im
Militär nicht gut ist, so ist er auch kein richtiger Eidgenosse.
Der bedeutendste Schweizer: Über Henri Dunant haben wir alle in
der Schule gehört. Bei den Politikern ist es schwieriger. Das Kollegial-
system im Bundesrat sowie der Nationalrat und der Ständerat verhin-
dern, dass ein einzelner ganz gross in den Himmel wachsen kann.
Otto Beck, Planken, *1930, Liechtensteiner, Rentner
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