Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Arno Waschkuhn hensabläufe und Vorkommnisse, wobei sie mit der Wahrheit teilweise ziemlich willkürlich umgingen. Wir werden ja sehen, zu welchen Ergebnis­ sen die parlamentarische Untersuchungskommission gelangt und ob sie mehr Klarheit in die verworrene Angelegenheit bringt. Auf der Ebene des Staatsgerichtshofes zeichnet sich jedenfalls ab, dass die Kunsthausinitianten, die das Projekt bereits politisch-praktisch zu Fall gebracht haben, sich auch rechtlich am Ende durchsetzen werden. Gerade in Vaduz scheinen bestimmte Meinungsfiihrer ständig nach dem an sich löblichen Motto zu agieren: «Ohne einen Schuss Abneigung gegen die, die Gewalt über uns haben, kann die Freiheit nicht bestehen.» Der politische Entscheidungsprozess ist demnach nur im Grenzfall eine konsensuale oder diskursive Veranstaltung, vielmehr zeigen sich auch hier die verschiedensten Gesichter der Macht, und sie haben sich gezeigt. Späte­ stens an diesem Fall wird deutlich, dass die liechtensteinische «Harmonie­ lehre» keine allgemeinverbindliche, sondern eine definierte und ausgren­ zende sowie oftmals Frustrationen auslösende Beschwichtigungsphiloso­ phie ist, deren realer Gehalt durchaus bestritten werden kann. Ferner kann man vermuten, dass in Analogie zum Kunsthausfall und dem schon seit längerem aufgegebenen Projekt des Münchner Architekten von Branca auch das Vorhaben des neuen Landtagsgebäudes, nämlich das Projekt «Polis» des unkonventionellen Tessiner Architekten Luigi Snozzi, auf einige Widerstände in der Bevölkerung stossen wird, aber ich will hier beileibe nicht unken, und man wird sehen, wie in dieser Sache vorgegangen wird. Kleine Gemeinwesen sind demnach wegen des ihnen innewohnenden Zwanges zur Kooperation ihrer Mitglieder auch in spezifischer Weise kon­ fliktanfällig, wenn die kalkulierten oder eingefahrenen Strategien der Kon­ fliktbegrenzung versagen. Es kommt dann zu Politikblockaden, zum Ver­ tagen von Problemen und Verschieben von Projekten sowie in letzter Kon­ sequenz sogar zu einem Verzicht auf Politik durch die «Schubladisierung» inhaltlich kontroverser Reformvorhaben und Gestaltungsaufgaben. Davon zu unterscheiden wären analytisch schliesslich noch die sog. «non-decisions», die bestimmte Politikthemen aufgrund einer Elitenüber­ einkunft aus dem Agendabereich heraushalten und insofern ganz bewusst an einer Befestigung des Status quo orientiert und interessiert sind. Diese je aktuellen, aber latenten «Nicht-Entscheidungen» sind also eher wertbe­ setzte oder prinzipielle Vorentscheidungen über die «zugelassene» The­ menstruktur kleinstaatlicher Handlungs- und Steuerungsprobleme, die 36
	        

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